Testament. Pflichtanteil
Sind Abkömmlinge, Eltern oder Ehepartner des Erblassers durch das Testament von der Erbfolge ausgeschlossen, haben sie immer noch Anspruch auf ihren sogenannten Pflichtteil.
Sie können von den testamentarischen Erben diesen Anteil verlangen. Bei diesem Anteil handelt es sich um eine Geldsumme, die so hoch ist, wie der Wert des gesetzlichen Erbteils zum Zeitpunkt des Erbfalls
(§§ 2003, 2388 a BGB).
Dieses Pflichtrecht naher Angehöriger kann nur unter sehr strengen Voraussetzungen entzogen werden.
Pflichtteilsansprüche ergeben sich grundsätzlich, wenn nahe Angehörige:
- durch Testament oder Erbvertrag von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen wurden
- im Nachlass zu gering bedacht wurden (wenn weniger als die Hälfte des gesetzlichen
Erbteils vererbt wird)
- ihr Erbteil ausschlagen
● Wer ist Pflichtteil berechtigt?
Laut Erbrecht haben prinzipiell Ehepartner, Kinder und Enkel des Verstorbenen Anspruch auf einen Pflichtteil. Es gibt allerdings eine Rangfolge:
- Ehepartner haben eine Sonderstellung und sind grundsätzlich immer pflichtteilsberechtigt.
Gilt die Ehe als gescheitert oder wurde geschieden, haben sie keinen Anspruch mehr.
- Kinder sind ebenfalls im Normalfall immer pflichtteilsberechtigt, sowohl eheliche als auch
nichteheliche und adoptierte Kinder. Stiefkinder haben keinen Anspruch.
- Enkel sind nur dann pflichtteilsberechtigt, wenn keine Kinder des Erblassers mehr leben
oder ihnen die Ansprüche aus besonderen Gründen aberkannt wurden.
- Wenn der Erblasser keine Kinder und keinen Ehepartner hat, sind auch die Eltern des
Verstorbenen pflichtteilsberechtigt. Ansonsten gehen sie leer aus.
● Haben Geschwister Anspruch auf den Pflichtteil?
Entferntere Verwandte – und dazu gehört schon der Bruder oder die Schwester – sind nicht pflichtteilsberechtigt.
Über die gesetzliche Erbfolge können Geschwister trotzdem einen Erbteil erhalten, wenn keine Erben erster Ordnung existieren und die Eltern des Erblassers bereits verstorben sind.
● Wie hoch ist der gesetzliche Pflichtteil?
Der Pflichtteilsanspruch ist ein Anspruch auf Geldzahlung aus dem Nachlass. Ansprüche auf Gegenstände oder Immobilien bestehen nicht, nur anteilig auf deren rechnerischen Wert.
Um den gesetzlichen Erbteil zu berechnen, müssen Sie die genaue Erbmasse bestimmen. Dazu müssen zunächst das Vermögen, bestehend unter anderem aus Geldvermögen, Grundstücken, Wertpapieren oder Kunstgegenständen, sowie etwaige Schulden des Erblassers ermittelt werden.
Vermögen, das der Erblasser innerhalb von zehn Jahren vor dem Erbfall verschenkt hat, muss bei der Berechnung des Pflichtteils dem Nachlass hinzugerechnet werden. Geschenke zwischen Ehegatten sind zeitlich unbegrenzt anzurechnen. Andererseits muss sich auch der Pflichtteilberechtigte erhaltene Vorleistungen anrechnen lassen.
Der Anspruch beträgt die Hälfte des Wertes, der dem Pflichtteilsberechtigten laut gesetzlicher Erbfolge zusteht. Die Höhe ist also abhängig vom Verwandtschaftsverhältnis. Beim Pflichtteil für Ehegatten ist zudem relevant, welchen Güterstand die Eheleute gewählt haben.
Pflichtteil eines enterbten Kindes, sofern der Erblasser im Erbfall noch verheiratet war
- Zugewinngemeinschaft:
Bei ein Kind: 1/4
Bei zwei Kinder: 1/8
Bei drei Kinder: 1/12
- Gütertrennung:
Bei ein Kind: 1/4
Bei zwei Kinder: 1/6
Bei drei Kinder: 1/8
- Gütergemeinschaft:
Bei ein Kind: 3/8
Bei zwei Kinder: 3/16
Bei drei Kinder: 3/24
Pflichtteil des enterbten Ehepartners, neben Abkömmlingen
- Zugewinngemeinschaft:
1/8 plus Zugewinnausgleich
- Gütertrennung:
Bei ein Kind: 1/4
Bei zwei Kinder: 1/6
Bei drei Kinder: 1/8
- Gütergemeinschaft:
1/8
● Enterbung mit reduziertem Pflichtteil
Es existieren folgende Möglichkeiten, Pflichtteilsansprüche zu reduzieren:
- Schenkungen zu Lebzeiten
Durch Schenkungen zu Lebzeiten des Erblassers lassen sich dessen Nachlass und damit die auch die Pflichtteile reduzieren. Voraussetzung ist, dass die Schenkungen zum Zeitpunkt des Erbfalls mindestens zehn Jahre zurückliegen. Ist dies nicht der Fall, wird die Schenkung bei der Ermittlung des Nachlasswerts mit jedem Jahr, das zwischen ihr und dem Erbfall liegt, um zehn Prozent weniger berücksichtigt. Darüber hinaus entstehen Pflichtteilsergänzungsansprüche gegenüber den eingesetzten Erben.
- Adoption
Verheiratete und unverheiratete Paare können Pflichtteilsansprüche mittels Adoption senken. Dies bietet sich besonders bei Paaren an, die Kinder aus vergangenen Beziehungen mit in die Partnerschaft gebracht haben. Will einer der Partner seine leiblichen Kinder enterben und deren Pflichtteile soweit es geht reduzieren, könnte er die Kinder seines Partners adoptieren. Auf diese Weise würde sich die Anzahl der gesetzlichen Erben erhöhen und die Pflichtteilsansprüche würden damit reduziert.
- Ausstattungen aus dem Elternvermögen
Sogenannte Ausstattungen gelten nicht als Schenkungen und ziehen daher keine Pflichtteilsansprüche nach sich. Im Rahmen solcher Ausstattungen verschenken Eltern Zuwendungen in Form von Geld oder anderen Vermögensgegenständen an ihre Kinder.
Dabei können gemäß § 1624 BGB folgende Gründe angeführt werden:
Hierzu zählen unter anderem Mitgiften, Aussteuern und die Errichtung von Gewerbebetrieben. Wichtig ist dabei immer, dass die Ausstattungen in einem angemessenen Verhältnis zum Vermögen der Eltern stehen.
- Wahl des Güterstands
Auch die Wahl des Güterstands einer Ehe kann den Umfang von Pflichtteilsansprüchen beeinflussen. So bringt eine Zugewinngemeinschaft beispielsweise mehr Vorteile als eine Gütertrennung, wenn es um Enterbungen oder eine Reduzierung der Pflichtteile geht. Denn der Pflichtteil berechnet sich aus der Hälfte der gesetzlichen Erbquote, die für verschiedene Güterstände unterschiedlich ausfällt und somit zu unterschiedlichen Pflichtteilsansprüchen führt. Die häufigste Form des gesetzlichen Güterstands in Deutschland ist die Zugewinngemeinschaft. Hier erbt der Ehepartner per Gesetz immer mindestens 50 Prozent des Nachlasses. Die Gütertrennung reduziert diese Erbquote je nach Anzahl der Kinder auf bis zu 25 Prozent.
Halbiert man diese Beiträge, ergeben sich folgende Pflichtteilsansprüche:
- Zugewinngemeinschaft – 25 Prozent des Nachlasses
- Gütertrennung – 12,5 Prozent des Nachlasses
- Je nachdem, für welches Familienmitglied der Pflichtteil reduziert werden soll, bieten sich
unterschiedliche Güterstände an. Welcher Güterstand am besten geeignet ist, hängt vom
Einzelfall sowie von der Anzahl der Kinder ab.
● Was müssen Sie als Erbe tun?
Erben müssen den Pflichtteilsberechtigten in einem Nachlassverzeichnis den Umfang des Nachlasses erklären. Darüber hinaus haben die Pflichtteilsberechtigten einen Anspruch darauf, dass durch Gutachten die Sachwerte geschätzt werden. Zu den Pflichten der Erben gehört dann auch das Auszahlen des Pflichtteils.
● Wie können sich Ehepartner, Kinder, Enkel, Geschwister, Eltern gegen die Enterbung rechtlich wehren?
Ehepartnern, Kindern und anderen Angehörigen stehen im Falle einer Enterbung zwei Optionen zur Verfügung, um sich juristisch zu wehren und den Ausschluss aus der Erbfolge doch noch abzuwenden: die Anfechtung der Enterbung oder das Einfordern des Pflichtteils.
- Anfechtung der Enterbung
Von einer Enterbung betroffene Angehörige können den Ausschluss aus der Erbfolge grundsätzlich immer hinterfragen. Möglicherweise ist die Enterbung unrechtmäßig und das Testament kann angefochten werden. Eine erfolgreiche Anfechtung ist vor allem unter folgenden Umständen wahrscheinlich:
- Das Testament ist rechtlich unwirksam.
- Im Testament wurde gegen geltendes Recht verstoßen.
- Der Verfasser des Testaments war nicht testierfähig.
Das Testament kann wegen Irrtums oder Drohungen angefochten werden.
- Einfordern des Pflichtteils
Durch die im Erbrecht getroffenen Pflichtteilsregelungen steht Erben in der Regel auch im Fall einer Enterbung eine Mindestbeteiligung am Nachlass zu. Die einzigen Voraussetzungen hierfür sind die Pflichtteilsberechtigung sowie ein gültiger Anspruch. Ob Angehörige von einer Enterbung überhaupt betroffen sind, wird ihnen meist im Rahmen der Testamentseröffnung nach dem Tod des Erblassers mitgeteilt. Ab diesem Zeitpunkt haben die Pflichtteilsberechtigten drei Jahre Zeit, um ihren Pflichtteil einzufordern. Dabei wird üblicherweise wie folgt vorgegangen:
Gemäß §2314b BGB sind Erben dazu verpflichtet, den Pflichtteilsberechtigten auf Verlangen Auskunft über den Bestand des Nachlasses zu erteilen. Darüber hinaus kann außerdem verlangt werden, dass das Verzeichnis durch die zuständige Behörde, einen zuständigen Beamten oder einen Notar aufgenommen wird. Die Kosten dafür fallen dem Nachlass zur Last. Sobald den Pflichtteilsberechtigten die Höhe der Erbschaft bekannt ist, können sie ihren Pflichtteilsanspruch berechnen. Der entsprechende Pflichtteil kann dann mündlich oder schriftlich eingefordert werden. Sollten alle Gespräche scheitern, kann der Pflichtteil schriftlich eingefordert werden bzw. es können entsprechende rechtliche Schritte angekündigt werden. Wird die Auszahlung des Pflichtteils dann immer noch verweigert, kann er vor Gericht eingeklagt werden.
● Kann der Pflichtteil zu Lebzeiten gefordert werden?
Nein. Eine Auszahlung zu Lebzeiten ist nicht möglich, denn der Pflichtteilsanspruch ergibt sich erst mit Eintritt des Erbfalls.
Davon unberührt bleibt die Möglichkeit der vorweggenommenen Erbfolge. So können schon zu Lebzeiten untereinander Schenkungen vollzogen und auf den späteren Erbteil angerechnet werden.
Durch den notariell beurkundeten Pflichtteilsverzicht kann der Berechtigte zudem gegen Zahlung einer Abfindung auf seinen Pflichtteil im späteren Erbfall verzichten.
● Wann verfällt der Anspruch auf den Pflichtteil?
Der Pflichtteil kann theoretisch bereits am Tag nach dem Tod des Erblassers eingefordert werden. Meist dauert aber die Ermittlung der Nachlasshöhe deutlich länger. Für den Anspruch gilt daher eine dreijährige Verjährungsfrist. Pflichtteilsberechtigte müssen sich also ihren Anteil spätestens innerhalb von drei Jahren auszahlen lassen.
Die Frist beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden beziehungsweise der Erblasser verstorben ist. Wenn der Pflichtteilsberechtigte erst später vom Tod des Erblassers und/oder seiner Enterbung erfährt, beginnt die Verjährungsfrist mit der Kenntnisnahme. Ist allerdings ein Zeitraum von 30 Jahren vergangen, bestehen keine erbrechtlichen Ansprüche mehr.
● Was besagt die Strafklausel beim Berliner Testament?
Nicht immer ist es sinnvoll, den Pflichtteil direkt geltend zu machen. Denn bestimmen sich Ehepartner gegenseitig zum Alleinerben mit dem sogenannten Berliner Testament, werden Kinder oder Enkel enterbt, falls sie ihren Pflichtteilsanspruch bereits nach dem Ableben eines Elternteils geltend machen wollen. Das soll verhindern, dass der verbleibende Elternteil durch den Erbfall in finanzielle Nöte kommt.
Wer also direkt seinen Pflichtteil einfordert, wird durch die Klausel finanziell bestraft, da er auch nach dem Tod des zweiten Ehepartners keinen vollen Erbteil, sondern ebenfalls nur das Pflichtteil-Erbe erhält.
● Kann man den Pflichtteil entziehen?
Erblasser oder Testamentsvollstrecker können den Pflichtteil nur aufgrund von besonderen Konstellationen entziehen. Die Beweggründe dafür müssen ausdrücklich im Testament oder Erbvertrag aufgeführt sein. Ein Pflichtteilsberechtigter kann leer ausgehen, wenn er:
- für den Tod des Erblassers verantwortlich ist.
- dem Erblasser oder einem nahen Angehörigen nach dem Leben trachtet oder getrachtet hat.
- ein grobes Fehlverhalten gegen den Erblasser, seinen Ehepartner oder nahestehende
Personen begangen hat.
- gesetzlich obliegende Unterhaltspflichten verletzt hat.
- eine strafrechtliche Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von über einem Jahr ohne
Bewährung erhalten hat oder deshalb rechtskräftig in einer psychiatrischen Einrichtung
untergebracht wurde.
● Können Enkel den Pflichtteil einklagen?
Der Entzug des Pflichtteils ist personenbezogen. Enterbt also ein Erblasser seine Kinder vollständig aufgrund einer oben angeführten Konstellation, wird damit nicht gleichzeitig auch deren Nachkommen der Pflichtteil aberkannt. Den Enkeln des Verstorbenen steht also weiterhin ein Pflichtteil zu.
● Auszahlung des Pflichtteils
Die Auszahlung des Pflichtteils durch die Erben muss ausdrücklich vom Pflichtteilsberechtigten gefordert werden. Hierzu ist es nötig, die exakte Höhe seines Pflichtteilsanspruchs zu kennen, die im Zahlungsbegehren angegeben werden muss. Dieses Schreiben sollte dabei ebenfalls die Bankverbindung des Kontos enthalten, auf das der Pflichtteil eingezahlt werden soll.
● Stundung des Pflichtteils
Sind die Erben nicht in der finanziellen Lage, den Pflichtteil auszuzahlen, können Sie die Forderung gemäß § 2331a BGB stunden. Dies ist aber nur unter besonderen Umständen möglich – beispielsweise, wenn der Familienbetrieb verkauft werden müsste, um den Pflichtteil bezahlen zu können. Würde es aber ausreichen, einige Gegenstände aus dem Erbe zu veräußern, um den Pflichtteil auszahlen zu können, ist eine Stundung nicht möglich.
● Verzugszinsen
Stellen sich die Erben quer und verzögern die Auszahlung des Pflichtteils, können Sie Verzugszinsen fordern. Dazu muss zunächst eine Mahnung mit genauer Zahlungsfrist verschickt werden. Alternativ genügt auch die Klageerhebung oder Zustellung eines gerichtlichen Mahnbescheids.
In der Regel wird bei Überschreitung der Zahlungsfrist ein Verzugszins von 5 % über dem aktuellen Basiszins (im ersten Halbjahr 2017 sind das -0,88 %) angesetzt. Das kann teuer für den oder die Erben werden. Um dies zu umgehen, empfiehlt es sich, dem Pflichtteilsberechtigten zunächst eine Abschlagszahlung anzubieten. Zinsen werden dann nur noch auf den ausstehenden Restbetrag fällig. Damit der Erbe auf der sicheren Seite ist, sollte der Abschlag nur unter Vorbehalt der Rückforderung gezahlt werden, falls der Pflichtteil letztendlich geringer als die bereits getätigte Zahlung ausfällt. Das ist beispielsweise der Fall, wenn doch noch Nachlassverbindlichkeiten auftauchen.
● Verjährung und Fristen
Der Anspruch auf einen Pflichtteil am Erbe hat eine Verjährungsfrist!
Nach Kenntnisnahme vom Tod des Erblassers bzw. seit Kenntnis des Testaments hat der Pflichtteilsberechtigte drei Jahre Zeit, seinen Anspruch geltend zu machen. Warten Sie daher nicht zu lang, wenn Sie daran interessiert sind, Ihren Pflichtteil vom Erbe einzufordern. Die Verjährungsfrist beginnt immer am 31.12. des Jahres, in dem der Berechtigte von seinem Anspruch erfahren hat oder hätte erfahren können. Im Streitfall muss der Antragsgegner – also derjenige, der den Pflichtteil auszahlen muss – beweisen, dass der Anspruch bereits verjährt ist.
Bei minderjährigen Pflichtteilsberechtigten räumt das BGB in § 207 Abs. 1 Nr. 2 eine längere Verjährungsfrist ein. In diesen Fällen ist die Verjährung bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gehemmt. Der Aufschub gilt im Übrigen auch für andere Personen, solange sich die Anspruchsgegner in einem Vormundschaftsverhältnis (Nr. 3), Betreuungsverhältnis (Nr. 4) oder Pflegschaftsverhältnis (Nr. 5) befinden. Zudem wird die Verjährung gehemmt, wenn der Pflichtteilsberechtigte unauffindbar ist oder Verhandlungen über ebendiesen Pflichtteilsanspruch laufen.