Unternehmensbewertung. Multiplikatoren-Cash-Verfahren
Das Multiplikatorenverfahren ist eine marktorientierte, praxisnahe Methode zur Unternehmensbewertung. Der Wert des Unternehmens wird mithilfe von Verhältniskennzahlen abgeleitet. Der Multiplikator ergibt sich aus dem realisierten Marktwert, also dem Verkaufspreis eines vergleichbaren Unternehmens, im Verhältnis zum Umsatz oder Gewinn des zum Verkauf stehenden Unternehmens.
Ist dieser Faktor bestimmt, wird er mit dem prognostizierten Gewinn vor Zinsen und Steuern (Earnings Before Interest and Tax – EBIT) multipliziert.
Es gibt auch die Angabe von Multiplikatoren im Verhältnis zum Umsatz eines Unternehmens. Dies ist hilfreich, um den Wert von Unternehmen einzuschätzen, die nach Zinsen keinen Gewinn mehr machen (da 0 multipliziert mit X 0 bleibt) oder wenn der/die Verkäufer noch keine Ertragszahlen offengelegt hat.
Für die Auswahl des richtigen Multiplikators ist es wichtig, die richtige Vergleichsgruppe nach Branche und Größe heranzuziehen. Hierbei helfen sogenannte Multiples-Tabellen, die für Branchen Minimum- und Maximum-Multiplikatoren angeben.
Wenden Sie diese Multiplikatoren an, können Sie die Preisspanne ermitteln, die für die Mehrzahl der in der jeweiligen Branche zum Verkauf stehenden Unternehmen aktuell aufgerufen wird. In Einzelfällen kann der Preis auch außerhalb dieser Spanne liegen. Beachten Sie immer die Besonderheiten des Unternehmens, das Sie kaufen möchten.
Fragen Sie sich:
- Wie stark ist der Unternehmenserfolg abhängig vom/von dem Inhaber(in) im Vergleich
zum Wettbewerb?
- Hängt der Unternehmenserfolg vergleichsweise stark oder weniger stark von einzelnen
Kunden(innen) ab?
- Hat das Unternehmen, das ich kaufen möchte, besondere Alleinstellungs- und
Differenzierungsmerkmale gegenüber dem Wettbewerb?
- Ist das Wachstumspotenzial vergleichbar mit dem Wettbewerb oder weicht das
Unternehmen (stark) ab?
● Vor- und Nachteile des Verfahrens
Vorteile
- Das Multiplikatorverfahren berücksichtigt den Wert ähnlicher Unternehmen eines
Branchenclusters, die in naher Vergangenheit am Markt verkauft wurden. Es eignet sich
daher hervorragend, um einen fairen und marktgerechten Verkaufspreis zu ermitteln.
- Branchenspezifische Risiken und Besonderheiten werden berücksichtigt. Das Risiko einer
subjektiven Bewertung wird minimiert.
- Durch die regelmäßige Aktualisierung der Multiplikatoren werden Änderungen im
Marktumfeld zeitnah in den Verkaufspreisen nachvollzogen.
Nachteile
- Für kleinere Unternehmen können schwer aussagekräftige Multiplikatoren ermittelt werden,
da die Marktdaten nicht umfänglich zugänglich sind.
- Bei nicht sachgerechter Ermittlung der Multiplikatoren können evtl. für den weiteren
Fortbestand des Unternehmens notwendige Investitions- und Kapitalkosten vernachlässigt werden.
● Berechnung des EBIT als Grundlage des Verfahrens
Der Begriff EBIT steht für „Earning Before Unterest and Tax“, also den Gewinn vor Zinsen und Steuern bzw. das operative Betriebsergebnis. Relevant für die Bewertung ist das nachhaltige EBIT. Das nachhaltige EBIT wird vergangenheitsbezogen, d. h. basierend auf den Zahlen der vergangenen Jahre berechnet, sofern die Umsätze und Erträge relativ gleichförmig waren und von dieser Gleichförmigkeit auch in den kommenden Jahren ausgegangen werden kann. In der Regel wird zusätzlich eine Zukunftsbetrachtung hinzugezogen.
Das nachhaltige EBIT wird ggf. um die folgenden Korrekturfaktoren bereinigt:
- Geschäftsführergehälter von Gesellschaftern oder diesen nahen stehenden Personen,
einschließlich Nebenleistungen wie Pensionsrückstellungen u. ä.
- Gehälter einschließlich Nebenleistungen von Arbeitnehmern, die in enger persönlicher oder
verwandtschaftlicher Beziehung zu Gesellschaftern stehen oder die selbst Gesellschafter sind
- Mieten und Pachten an Gesellschafter oder nahestehende Personen
- Außerordentliche Abschreibungen
- Außerordentliche Erträge und / oder außerordentliche Aufwendungen
- Bildung von außerordentlichen Rückstellungen oder Auflösung derselben
Es gibt zwei Verfahren zur Berechnung des EBIT:
1. Gesamtkostenverfahren
Bei diesem Berechnungsverfahren werden alle Kosten und Aufwendungen den Erträgen einer Periode gegenübergestellt:
Umsatzerlöse
+/- Erhöhung oder Verminderung des Bestands an fertigen und unfertigen Erzeugnissen
+ andere aktivierte Eigenleistungen
+ sonstige betriebliche Erträge
- Materialaufwand
- Personalaufwand
- Abschreibung
- sonstige Aufwendungen
= EBIT/ Betriebsergebnis
1. Umsatzkostenverfahren
Hierbei werden die Erträge mit den Herstellungskosten verrechnet.
Umsatzerlöse
- Herstellungskosten
= Betriebsergebnis vom Umsatz
- Vertriebskosten
- allgemeine Verwaltungskosten
+ sonstige betriebliche Erträge
- sonstige Aufwendungen
= EBIT/Betriebsergebnis
● Die Nettofinanzverschuldung als Grundlage des Verfahrens
Neben dem EBIT wird für die Ermittlung des Unternehmenswertes die Nettofinanzverschuldung (Net Debt) des Unternehmens benötigt. Dabei werden – vereinfacht ausgedrückt – alle zinstragenden Verbindlichkeiten angesetzt, also z. B. Bankdarlehen und Gesellschafterdarlehen.
Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistungen fließen nicht in die Berechnung ein, da sie zum laufenden Geschäftsbetrieb gehören und meist nicht zinstragend sind. In der Praxis gibt es noch einige weitere Bilanzpositionen, die in der Nettofinanzverschuldung zu berücksichtigen sind. Angesichts der Komplexität wird hier jedoch nicht weiter darauf eingegangen.
Von der Summe der zinstragenden Verbindlichkeiten wird nun die überschüssige Liquidität (Barreserven) abgezogen. Dazu zählen Cash-Bestand, Sichteinlagen und kurzfristige Geldanlagen, sofern diese nicht aus reinen Liquiditätsgesichtspunkten zur Aufrechterhaltung der Geschäftstätigkeit erforderlich sind. Gegebenenfalls sind auch Wertpapiere und nicht betriebsnotwendiges, auskehrbares Vermögen abzuziehen. Als Stichtag gilt der Tag der Unternehmensbewertung.
Es ist zu bemerken, dass die Nettofinanzverschuldung üblicherweise zum Stichtag eines Unternehmensverkaufes bzw. Anteilsverkaufes erneut ermittelt wird. Dabei werden ggf. vorhandene signifikante Abweichungen des Working Capitals zum Stichtag verglichen.
● Die EBIT Multiple als Grundlage des Verfahrens
er letzte zur Bewertung notwendige Faktor ist ein branchenabhängiger, ständig aktualisierter Multiplikator auf Basis von tatsächlich vollzogenen Transaktionen.
Berater und sonstige Fachleute haben durch ihre Marktkenntnis den Überblick über derzeit “bezahlte“ Multiples. Diese können aus Fachzeitschriften bzw. Finanzmagazinen entnommen werden. Hierbei handelt es sich regelmäßig um Multiplikator-Korridore.
Deshalb ist es wichtig, dass unternehmensspezifische Chancen und Risiken des zu bewertenden Unternehmens zusätzlich bei der Festsetzung des Multiplikators berücksichtigt werden.
Dazu gehören u. a. Risiken, die den Wert eines Unternehmens schmälern können, z. B.:
- Abhängigkeiten von Führungspersonen, Groß-Projekten, Key-Kunden, Lieferanten etc.
- Unausgewogene Altersstruktur, viele Know-How-Träger kurz vor dem Ruhestand
- Defizite im Vertrieb
- Branchenimmanente Risiken wie z.B. Lizenzverletzungen und Softwarepiraterie
- Steigende Anzahl von Anbietern und somit steigender Wettbewerbsdruck
- Wenig zukunftsorientierte Produktpalette
- Schwierige gesamtwirtschaftliche Situation
Chancen, welche den Wert eines Unternehmens steigern, können z.B.:
- Wachstumspotenzial von Produktsegmenten
- Möglichkeiten der Erschließung neuer Absatzmärkte oder Vertriebskanäle
- Hohes Know-how und
- Innovationspotenzial
- Unabhängigkeit von Großkunden bzw. Lieferanten
- Ausgewogene Altersstruktur
- Patente oder exklusive Vertriebsrechte
- Reputation
Innerhalb der Multiplikator-Korridore kann das zu bewertende Unternehmen nun positioniert werden.
Der Eigenkapitalwert (Equity Value) des Unternehmens ergibt sich nach der EBIT-Methode aus folgender Formel:
(EBIT x Multiplikator) – Nettofinanzverschuldung = Eigenkapitalwert
Der Unternehmenswert gibt zunächst an, wie hoch das operative Ergebnis des Unternehmens bewertet wird. Dem Eigentümer steht jedoch nur der Teil des Unternehmenswertes zu, der nicht von Dritten finanziert wurde (Eigenkapitalwert).
Daher muss die Nettofinanzverschuldung vom Unternehmenswert abgezogen werden. Neben dem Wert des Unternehmens gehen schließlich auch die Unternehmensschulden auf einen potenziellen Käufer über.
Der Eigenkapitalwert gibt also an, wie hoch der Verkaufserlös der Gesellschaftsanteile des gesamten Unternehmens voraussichtlich wäre. Sollen nur Teile des Unternehmens erworben werden, wird der Kaufpreis dementsprechend verringert.
Das EBIT-Verfahren eignet sich für eine überschlägige Bewertung, die jedoch erfahrungsgemäß dem tatsächlichen Marktwert sehr nahekommt. Dies insbesondere dann, wenn sie mit hoher Sorgfalt im Bereich der notwendigen Korrekturen des EBIT sowie der Nettofinanzverschuldung vorgenommen wird.