Was ist Scheinselbstständigkeit?
Eine Scheinselbstständigkeit liegt vor, wenn ein Freelancer formal als Selbstständiger für ein
Unternehmen tätig ist, in der Praxis aber wie ein Angestellter behandelt wird. Er schreibt also Rechnungen und erhält lediglich ein Honorar für seine Leistungen, aber zum Beispiel keinen bezahlten Urlaub und keine Entgeltfortzahlung bei Krankheit. Doch gleichzeitig ist er fest in die Prozesse des Unternehmens eingebunden, arbeitet weisungsabhängig und es gibt praktisch kaum einen Unterschied zwischen ihm und den fest angestellten Mitarbeitern.
Diese Situation läuft dem Sozialstaatsprinzip zuwider: Es liegt im Grunde eine abhängige Beschäftigung vor, aber es werden keine Sozialversicherungsbeiträge gezahlt und der Auftragnehmer erhält nicht die Privilegien, die ihm eigentlich zustehen würden (zum Beispiel Kündigungsschutz). Scheinselbstständigkeit wird mit Schwarzarbeit gleichgestellt und ist kein Kavaliersdelikt. Deshalb gibt es Prüfungen durch die Deutsche Rentenversicherung, die Finanzämter oder auch den Zoll, um solche Beschäftigungsverhältnisse aufzudecken.
Ob eine Tätigkeit selbstständig oder im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung erfolgt, richtet sich nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Ausgestaltung.
Von einer Scheinselbstständigkeit spricht man, wenn:
Scheinselbstständigkeit ist somit kein eigener Rechtsbegriff, sondern führt im Ergebnis zum Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses. Die Prüfung, ob es sich um eine selbstständige oder eine abhängige Beschäftigung handelt, gestaltet sich in vielen Fällen komplex.
● Wer sind die Betroffenen?
Von Scheinselbstständigkeit betroffen sein können alle Selbstständigen, die Auftragsarbeiten machen. Insbesondere betroffen sind davon Freiberufler oder freie Mitarbeiter. Freie Mitarbeiter können im Gegensatz zum Freiberufler dabei auch ein Vertragsverhältnis mit dem Auftraggeber haben, dass aber kein Arbeitsverhältnis darstellt. Sie haben außerdem i.d.R. ein Gewerbe angemeldet, wohingegen Freiberufler kein Gewerbe anmelden und keine Gewerbesteuer zahlen müssen.
Beispiele für betroffene Berufsbilder und Branchen, in denen Scheinselbstständigkeit vorkommen kann, sind:
● Rechtliche Folgen für den Auftraggeber
Die Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung ist wichtig, denn Beschäftigte unterliegen der Gesamtsozialversicherungspflicht. Diese setzt sich aus der Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung zusammen. Zusätzlich steht der Arbeitgeber in der Pflicht, Umlagen für Mutterschafts- und Insolvenzgeld (sowie bei kleinen Unternehmen Umlage zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall) und Beiträge für die gesetzliche Unfallversicherung zu zahlen. Besonders wichtig ist der Ausschluss einer Scheinselbstständigkeit für den Auftraggeber, denn wird zum Beispiel im Rahmen einer Betriebsprüfung nachgewiesen, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, können:
nach sich ziehen.
Im Falle des Auftraggebers gelten bei Scheinselbstständigkeit rückwirkend alle Haftungs- und Zahlungsverpflichtungen wie für normale Angestellte. Das bedeutet, dass der Auftraggeber die Beiträge zur Sozialversicherung für bis zu vier Jahre rückwirkend nachzahlen muss. Dazu zählen auch Säumniszuschläge, wenn nicht innerhalb von einem Monat nach Arbeitsbeginn ein Antrag auf Statusfeststellung seitens einer der beiden Parteien ein positives Ergebnis hervorbringt. Ansonsten tritt die Sozialversicherungspflicht erst dann ein, wenn eine unanfechtbare Entscheidung vorliegt.
Wird Scheinselbstständigkeit festgestellt, fangen Träger der Sozialversicherung und die Finanzämter an zu rechnen. Das, was der Freelancer verdient hat, wird als sein Nettoverdienst angesetzt. Daraus ergeben sich Nachzahlungen für Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge. Das Finanzamt kann im Falle von Scheinselbstständigkeit also Lohnsteuernachzahlungen rückwirkend einfordern. Hier gilt ebenfalls die Regelung von bis zu vier Jahren rückwirkend. Wird eine vorsätzliche Scheinselbstständigkeit nachgewiesen, sind Bußgelder, Gefängnisstrafen und Rückzahlungsforderungen für bis zu 30 Jahre möglich.
Auch die Ausweisung der Umsatzsteuer auf den Rechnungen des Scheinselbstständigen wird unwirksam, d.h., dass der erfolgte Vorsteuerabzug als unzulässig gilt und die abgezogenen Vorsteuerbeträge berichtigt und zurückgezahlt werden müssen. Ab der Feststellung der Scheinselbstständigkeit gelten für den bisherigen Auftragnehmer alle Rechte, die die Mitarbeiter des Unternehmens besitzen.
● Rechtliche Folgen für den Scheinselbständigen
Auch der Auftragnehmer hat mit Konsequenzen der Scheinselbstständigkeit zu rechnen. Im ersten Schritt ist seine Selbstständigkeit beendet und er erhält nachträglich zum Beginn des Beschäftigungsverhältnisses den Status des Arbeitnehmers. Hierdurch erhält er zahlreiche Rechte, beispielsweise Kündigungsschutz, Urlaubsanspruch oder Lohnfortzahlungsverpflichtung im Krankheitsfall. Außerdem erhält er im Falle von Scheinselbstständigkeit Nettogehaltszahlungen in der Höhe des bisherigen Honorars. Das heißt aber zugleich, dass im Falle eines freien Mitarbeiters das Gewerbe beim Gewerbeamt abgemeldet werden muss und die Mitgliedschaft in der Kammer zu diesem Zeitpunkt endet.
Sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmer werden rechtlich als Gesamtschuldner bei Scheinselbstständigkeit angesehen. Der bis dato Auftraggeber kann daher die Arbeitnehmeranteile an den Nachzahlungen der Sozialversicherungsbeiträge für die vergangenen drei Monate von seinem künftigen Gehalt abziehen. Je nach Honorar bzw. dann Nettogehalt ergibt sich die Beitragshöhe.
Bisher ausgestellte Rechnungen müssen vom Auftragnehmer bei Feststellung einer Scheinselbstständigkeit berichtigt werden. So muss die ausgewiesene Umsatzsteuer als ungültig erklärt werden. Der Vorsteuerabzug darf nicht durchgeführt worden sein oder die Vorsteuer muss an das Finanzamt zurückgezahlt werden.
● Scheinselbständigkeit vermeiden (Statusfeststellungsverfahren)
Besteht ein Zweifel über das Vertragsverhältnis „Auftraggeber und Auftragnehmer“, ob Letzterer tatsächlich selbständig ist, sollte man ein Statusfeststellungsverfahren bei der Clearingstelle des Deutschen Rentenversicherung Bundes durchführen lassen. Ob eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vorliegt, können Auftragnehmer oder Auftraggeber oder beide gemeinsam gemäß § 7a SGB IV schriftlich bei der Deutschen Rentenversicherung Bund im sogenannten Anfrageverfahren (auch: Statusfeststellungs-verfahren) in Erfahrung bringen.
Antragsformulare können unter www.deutsche-rentenversicherung.de heruntergeladen werden.
● Scheinselbständigkeit vermeiden (Selbsttest)
Wird eine oder mehrere der folgenden Fragen mit „Nein“ beantwortet, könnte eine Scheinselbständigkeit vorliegen: