Testamentsanfechtung
Ein Testament darf erst nach dem Tod des Erblassers angefochten werden. Der Anfechtende muss Erbe sein und einen Vorteil aus der Testamentsanfechtung ziehen können.
Eine Testamentsanfechtung ist immer dann möglich, wenn Zweifel daran bestehen, dass das Testament tatsächlich den freien und unverfälschten Willen des Erblassers wiedergibt. Ein Testament gilt nämlich nur dann als wirksam, wenn der Erblasser beim Erstellen desselbigen im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte war und es keine unzulässigen Einflüsse von Seiten Dritter gab, die ihn in seinen Verfügungen beeinflusst haben.
Ein Testament anzufechten macht daher nur Sinn, wenn es tatsächlich nachvollziehbare Zweifel darangibt, dass hier nicht der wirkliche Wille des Erblassers wiedergegeben wird.
Solche Zweifel (legitime Anfechtgründe) sind in §§ 2078 ff. BGB fixiert.
● Legitime Anfechtgründe
- Erklärungsirrtum
Weicht die im Testament festgehaltene Erklärung von dem ab, was der Verstorbene eigentlich erklären wollte, liegt ein Erklärungsirrtum vor und man kann ein Testament anfechten. Dies ist z. B. der Fall, wenn der Erblasser versehentlich 100.000 statt 10.000 Euro im Testament angegeben hat.
- Inhaltsirrtum
Dieser liegt vor, wenn der Erblasser Verfügungen getroffen hat, die er nicht treffen wollte. Wichtig dabei ist die Annahme, dass der Erblasser bei Kenntnis über die richtige Sachlage ein anderes Testament verfasst hätte. Geht der Erblasser z. B. davon aus, dass seine Geschwister zu gesetzlichen Erben gehören und er diesen daraufhin den gesamten Nachlass zuspricht, liegt ein Inhaltsirrtum vor.
- Motivirrtum
Hat der Erblasser sein Testament verfasst, weil er irrtümlicherweise von bestimmten Umständen ausgegangen ist, die aber nicht vorliegen, besteht ein Motivirrtum und man kann ein Testament anfechten. Das ist beispielsweise der Fall, wenn der Erblasser eine Person als Erbe einsetzt, weil er davon ausgeht, dass diese ihn bis zum Tod pflegt.
- (Arglistige) Täuschung
Von dieser kann ausgegangen werden, wenn der Erblasser absichtlich über Tatsachen getäuscht wird und auf dieser Grundlage testamentarische Verfügungen trifft. Eine solche Täuschung führt in der Regel zu einem Erklärungs-, Inhalts- oder Motivirrtum.
- Drohung
Hat ein Erblasser ein Testament unter Androhungen verfasst, kann man das Testament anfechten.
- Sittenwidrigkeit
Verfasst der Erblasser seinen letzten Willen unter einer Zwangslage wie einer Krankheit, ist das Testament sittenwidrig und kann angefochten werden.
- Nichtbeachtung eines Pflichtteilsberechtigten
Gemäß § 2079 BGB kann man ein Testament anfechten, wenn der Erblasser einen Pflichtteilsberechtigten übergangen hat. Das gilt z. B. auch, wenn der Erblasser nichts von dieser Person wusste.
- Bindung des Erblassers an frühere Erbverträge oder Testamente
In manchen Fällen sind Erblasser an ältere Verfügungen gebunden und dann bei der Erstellung eines Testaments eingeschränkt. Das gilt vor allem beim gemeinschaftlichen Testament, weil der Erblasser die Verfügungen in der Regel nicht allein aufheben kann.
- Kurzfristige Anpassungen
Wurde das Testament kurz vor dem Erbfall verändert, kann man das Testament anfechten, wenn der Erblasser zu diesem Zeitpunkt z. B. testierunfähig war oder einer der übrigen Anfechtungsgründe vorliegt.
- Scheidung vom im Testament bedachten Ehepartner
Ist ein Ehepartner im Testament bedacht, obwohl die Ehe bereits geschieden ist oder der Erblasser der Scheidung zugestimmt hat, kann man das Testament anfechten.
- Formfehler
Erfüllt das Testament nicht sämtliche formalen Anforderungen – z. B. weil die Unterschrift des Erblassers fehlt –, ist es unter Umständen ungültig und man kann das Testament anfechten. Der Erblasser muss demnach alle Formalitäten berücksichtigen, wenn er ein Testament schreiben möchte.
- Fälschung
Wird das Testament gefälscht, kann es angefochten werden. Dazu ist ein Sachverständiger nötig, der die Fälschung bestätigt.
- Testierunfähigkeit
Grundsätzlich haben Erblasser Testierfreiheit und sind testierfähig. Dies ist u. a. eingeschränkt, wenn der Erblasser minderjährig ist oder unter einer geistigen Störung leidet. Unter solchen Umständen verfasste Testamente sind in der Regel anfechtbar.
- Erbunwürdigkeit des Erben
Testamente können angefochten werden, wenn eine Erbunwürdigkeit eines der Erben vorliegt. Das ist laut
§ 2339 BGB der Fall, wenn der Erbe den Erblasser getötet hat, töten wollte oder so schädigte, dass er bis zu seinem Tod keine Testamentsänderung mehr vornehmen konnte. Aus diesem Grund können Berechtigte das Testament anfechten.
- Teilweise Unwirksamkeit des Testaments
Sind einzelne Verfügungen des Testaments unwirksam, ist das gesamte Testament unwirksam, wenn Berechtigte das Testament anfechten. Bedingung dafür ist, dass der Erblasser die übrigen Verfügungen ohne die unwirksamen nicht getroffen hätte – die Verfügungen also z. B. voneinander abhängig sind.
● Besonderheiten beim Berliner Testament
Grundsätzlich kann auch ein Berliner Testament angefochten werden, auch wenn es sich als komplizierter gestaltet und verschiedenste Details und Feinheiten zu beachten sind. Denn hier geht es um wechselseitige Verfügungen, also Verfügungen, die nicht nur einen Erblasser betreffen, sondern beide Ehegatten.
Die Besonderheit hier ist auch, dass nicht nur die Erben anfechtungsberechtigt sind, sondern auch die Erblasser selbst. Jedoch nicht zu Lebzeiten beider Ehegatten. Angefochten werden kann hier erst, wenn einer der beiden Ehegatten bereits verstorben ist. Der anfechtende Ehegatte geht dann im Grunde gegen die wechselseitigen Verfügungen vor, die er selbst zuvor erlassen hat. Im Umkehrschluss bedeutet dies auch, dass auch die wechselseitigen Verfügungen des schon verstorbenen Ehegatten wegfallen.
● Anfechtungsfrist
Sobald man vom Vorliegen eines Anfechtungsgrundes, wie etwa einer Drohung, erfährt, läuft die Uhr.
Ein Jahr bleibt dann Zeit, das Testament anzufechten. Gemäß § 2082 Absatz 3 BGB ist die Anfechtung allerdings ausgeschlossen, wenn seit dem Erbfall 30 Jahre vergangen sind.
● Anfechtungserklärung
Für die Testamentsanfechtung ist eine Anfechtungserklärung notwendig, die beim zuständigen Nachlassgericht eingereicht wird.
Die Anfechtung kann schriftlich oder zu Protokoll des Nachlassgerichts abgegeben werden. An eine spezielle Form ist die Anfechtungserklärung nicht gebunden, auch gibt es keine starren inhaltlichen Vorgaben. In jedem Fall muss aus der Erklärung der Anfechtungsgrund ersichtlich sein.
Auch einige wichtige Angaben sollten nicht fehlen:
- Name und Adresse des Anfechtenden
- Name des Erblassers
- Aktenzeichen des Nachlassgerichts
- Genaue Bezeichnung des Testaments mit Datum
- Nennung der angegriffenen Verfügung(en) des Testaments
- Kurze Begründung der Anfechtung
- Datum / Unterschrift
● Rechtsfolgen der Anfechtung
Kann man ein Testament anfechten und die Anfechtung ist erfolgreich, sind die angefochtenen Verfügungen in der Regel nichtig – die anderen bleiben weiterhin gültig.
Das gesamte Testament wird dabei nur unwirksam, wenn davon auszugehen ist, dass der Erblasser die übrigen Verfügungen ohne die angefochtenen nicht getroffen hätte (§ 2085 BGB). In diesem Fall gilt dann die gesetzliche Erbfolge.
Die Anfechtung hat keinerlei Auswirkungen auf den Pflichtteilsanspruch.