Haftung
Für die Frage der Haftung bei einer Betriebsübernahme ist eine sehr differenzierte Betrachtung des Einzelfalles erforderlich. Wesentliche Kriterien für die Beurteilung sind die Rechtsform vor und nach der Nachfolge sowie der Vertragstyp (Sachkauf oder Rechtskauf). Es wurde bereits dargestellt, dass beim Rechtskauf alle Risiken wirtschaftlich voll durchschlagen.
Träger aller Rechte und Pflichten bleibt nämlich beim Rechtskauf der bisherige Rechtsträger, zum Beispiel die GmbH.
Bei Personen(-handels)gesellschaften (auch bei einem Eintritt in ein Einzelunternehmen) sind die Rechtsfolgen für ausscheidende und eintretende Gesellschafter separat zu betrachten.
Im Rahmen dieser Ausarbeitung wird die Haftung des Nachfolgers bei einem Einzelunternehmen dargestellt. Für die überwiegende Mehrheit der Betriebe ergibt sich hieraus ein klares Bild der Haftungsrisiken.
Immer separat zu betrachten ist die Frage, ob und wie lange die Haftung des bisherigen Inhabers fortbesteht.
● Haftung des Erben eines Einzelunternehmens (BGB)
Der Erbe gilt als Gesamtrechtsnachfolger. Mit dem Vermögen des Erblassers gehen auf den Erben auch die Schulden über.
Zählt zum Nachlass ein Betrieb, so gilt dies auch für die Verbindlichkeiten des Unternehmens. Der Erbe haftet für die Nachlassverbindlichkeiten grundsätzlich unbeschränkt – notfalls mit seinem eigenen Vermögen. Es besteht die Möglichkeit, das Erbe innerhalb von sechs Wochen auszuschlagen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erbe von dem Anfall und dem Grund der Berufung Kenntnis erlangt. Erklärt werden muss dies gegenüber dem Nachlassgericht.
● Haftung des Erwerbers bei Übernahme eines Einzelunternehmens
- Haftung für bestehende Verbindlichkeiten
Hinsichtlich der Haftung für bestehende Verbindlichkeiten kommt es darauf an, in welcher Form das Unternehmen erworben wird (bei Einzelunternehmen ist nur der Sachkauf möglich). Zudem ist von Bedeutung, ob es sich bei dem bisherigen Unternehmer um einen Kaufmann oder einen Nichtkaufmann handelt. Die Kaufmannseigenschaft wird begründet durch eine Eintragung in das Handelsregister bzw. die bloße Verpflichtung dazu, d. h. wenn das Unternehmen einen nach Art und Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert.
- - Erwerb durch einen Kaufmann
Wird das Unternehmen von einem Kaufmann erworben und unter der bisherigen Firma fortgeführt, haftet der Erwerber grundsätzlich für alle im Unternehmen bereits durch den Veräußerer begründeten Verbindlichkeiten (§ 25 Abs. 1 HGB). Darunter fallen neben Gewährleistungsverpflichtungen auch sämtliche vertraglich vereinbarten Verpflichtungen wie Miete, Pacht, Versicherungen, Abnahmeverpflichtungen, Lieferantenverbindlichkeiten u. a.
Der Tatbestand der Firmenfortführung ist in diesem Zusammenhang eher weit auszulegen. Eine Haftung für private Schulden besteht demgegenüber nicht.
Der Anwendungsbereich des § 25 Abs. 1 HGB umfasst sowohl den typischen Unternehmenskauf als auch Pacht, Schenkung sowie den Erwerb im Zuge von Erbauseinandersetzungen.
Soll dieser weitreichende Haftungsumfang vermieden werden, ist ein entsprechender Haftungsausschluss zu vereinbaren und in das Handelsregister einzutragen (§ 25 Abs. 2 HGB).
Der Verkäufer haftet nach der Unternehmensübergabe (ab Eintragung in das Handelsregister) ebenfalls weiterhin für Verbindlichkeiten, die vor Ablauf von fünf Jahren fällig und gegen ihn geltend gemacht werden.
Gehört ein in das Handelsregister eingetragenes Unternehmen zum Erbe, so entfällt die oben dargestellte Haftung, wenn der Betrieb innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Kenntniserlangung von dem Erbanfall eingestellt wird (§ 27 Abs. 2 HGB). Sodann haftet der Erbe nur nach BGB-Erbrecht (§ 1922 BGB), beschränkbar auf den Nachlass (§§ 1973, 1975 ff. BGB). Gleiches gilt für etwaige Miterben jeweils im Verhältnis ihres Anteils.
Für den Fall, dass die Firma nicht fortgeführt wird, besteht die Haftung für Verbindlichkeiten des Veräußerers nur insoweit, als sich der Erwerber dazu besonders verpflichtet (§ 25 Abs. 3 HGB).
- - Erwerb durch einen Nicht-Kaufmann
Liegt beim bisherigen Inhaber keine Kaufmannseigenschaft vor, haftet der Erwerber grundsätzlich nicht für bestehende Verbindlichkeiten. Allerdings sind die Grundsätze der Rechtscheinhaftung zu beachten. In manchen Fällen kann es daher sinnvoll sein, die Handelsregistereintragung vorab herbeizuführen und sodann den Haftungsausschluss gem. §25 Abs. 2 HGB in das Handelsregister einzutragen.
● Haftung für betriebsbedingte Steuern
Die Haftung für betriebliche Steuerschulden kann nicht ausgeschlossen werden.
Betriebliche Steuern sind die Gewerbesteuer, die Umsatzsteuer und die Lohnsteuer.
Dabei ist unerheblich, ob der Betrieb im Handelsregister eingetragen ist oder nicht. Die Haftung ist beschränkt auf das übernommene Vermögen.
Der Nachfolger übernimmt gemäß § 75 AO alle betrieblichen Steuerschulden des Altinhabers, die seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entstanden sind und bis zum Ablauf von einem Jahr nach Anmeldung des Betriebes durch den Erwerber festgesetzt oder angemeldet werden.
Bei einer Betriebsprüfung im ersten Jahr nach der Übernahme kann sich somit der Haftungsumfang erweitern.
Das Finanzamt darf dem künftigen Nachfolger nur dann Auskunft über betriebliche Steuerschulden geben, wenn die Zustimmung des Betriebsinhabers vorliegt (Steuergeheimnis). § 75 AO kommt zur Anwendung bei Kauf, Schenkung und Erwerb im Zuge der Erbauseinandersetzung.
Das steuerliche Haftungsrisiko lässt sich eingrenzen, wenn eine aktuelle Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes vorliegt. Diese schließt jedoch Steuernachzahlungen nicht aus, die aufgrund einer im ersten Jahr nach der Übernahme erfolgten Betriebsprüfung festgestellt werden. Zwischen den Vertragsparteien sollten für diesen Fall entsprechende Regelungen getroffen werden (gegebenenfalls verbunden mit Sicherheitsleistungen).
- Haftung für Altverbindlichkeiten aus der Sozialversicherung
Ausdrücklich geregelt ist die Haftung für die gesetzliche Unfallversicherung (§ 150 SGB VII). Nach derzeitiger Rechtslage ist bei den weiteren Sozialversicherungsträgern davon auszugehen, dass deren Beitragsforderungen nicht auf den neuen Betriebsinhaber übergehen. Eine höchstrichterliche Entscheidung steht allerdings noch aus.
Deshalb ist es sinnvoll, vor der Übernahme eines Betriebes bei den Krankenkassen sowie den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung zu prüfen, ob es rückständige Sozialversicherungsbeiträge gibt.
- Haftung bei Umweltaltlasten
Altlasten können das Erdreich, Oberflächen oder Grundwasser verunreinigen. Dies trifft insbesondere zu, wenn mit folgenden Betriebsstoffen gearbeitet wurde:
- Schwermetallen
- Mineralölen
- Holzschutzmitteln
- Kraftstoffen
- Farben, Lacken, Verdünnungen
Für den Schaden haften der Verursacher und – auch wenn er den Schaden nicht verursacht hat – grundsätzlich auch der Grundstückseigentümer. Der Grundstückseigentümer kann dann zwar den Verursacher in Regress nehmen, aber die Beweislast liegt bei ihm. Weil der Schaden enorm hoch sein kann, besteht insoweit ein unkalkulierbares finanzielles Risiko.
● Haftung des Erwerbers bei Übernahme einer GmbH
- Haftung für nicht eingezahlte Stammeinlagen
Beim Kauf von GmbH-Geschäftsanteilen haftet der Käufer gesamtschuldnerisch mit dem Verkäufer für noch nicht eingezahlte Stammeinlagen.
- Pensionsverpflichtungen
Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH wurden für die Altersversorgung häufig Pensionszusagen gewährt und teilweise mittels einer Rückdeckungsversicherung abgesichert.
Gerade beim Unternehmensverkauf kann dies zu erheblichen Problemen führen. Während beim Betriebsübergang im Familienverbund der Übernehmer häufig bereit sein wird, für die Altersversorgung des Übergebers aufzukommen, ist dies bei einem fremden Erwerber meist nicht der Fall.
Der Interessent wird in aller Regel erst dann gewillt sein, die Gesellschaftsanteile zu kaufen, wenn die GmbH sich ihrer Pensionsverpflichtungen entledigt hat.
Alternativ wäre an einen Asset Deal zu denken.
Möglichkeiten zur Entledigung der Pensionsverpflichtungen
- Übertragung der Pensionsverpflichtungen auf einen Pensionsfonds gegen Einmalzahlung
- Verzicht des Gesellschafter-Geschäftsführers auf seine Pensionsanwartschaft
- Ausgliederung des Betriebes der GmbH in eine neue GmbH und Zurückbehaltung der
Pensionsverpflichtung mit Rückdeckungsversicherung in der Alt-GmbH