● Fortbestand der Arbeitsverhältnisse
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat auf den Fortbestand der Arbeitsverhältnisse keinen Einfluss (§ 108 InsO). Gemäß § 108 InsO besteht das Dienstverhältnis des Schuldners mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort.
Auch die Tarifgebundenheit wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt.
Dagegen können Betriebsvereinbarungen, die für die Insolvenzmasse belastend sind, gemäß § 129 InsO mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.
● Kündigung in der Insolvenz
- Allgemeines
Bei der Insolvenz eines Unternehmens ist es häufig erforderlich, die Belegschaft zu verschlanken und einen Teil der Belegschaft betriebsbedingt zu kündigen.
Um den Insolvenzverwalter einen größeren Handlungsspielraum zur zügigen Durchführung notwendiger Rationalisierungsmaßnahmen einzuräumen, sind die Kündigungsfristen in der Insolvenz auf maximal drei Monate festgelegte (§ 113 Abs. 2 InsO). Wegen der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann der gekündigte Mitarbeiter vom Insolvenz-verwalter Schadenersatz als Insolvenzgläubiger verlangen.
Das Insolvenzereignis räumt dem Insolvenzverwalter aber kein Sonderkündigungsrecht ein! Es gelten nach wie vor die Regeln des Kündigungsschutzgesetzes. Einzig, bei der Überprüfung von betriebsbedingten Kündigungen, gibt es gewisse Einschränkungen.
- Kündigungsschutzklagen
Eine weitere Besonderheit des Insolvenzverfahrens liegt darin, dass der Arbeitnehmer sämtliche Einwände gegen die Wirksamkeit der Kündigung innerhalb einer Frist von drei Wochen nach Zugang der Kündigung geltend machen muss (§113 Abs. 2 InsO). Diese Frist bezieht sich auf alle Gründe (soziale Rechtfertigung, Sozialauswahl, Verstöße gegen gesetzliche Verbote), die zu einer Unwirksamkeit der Kündigung führen können. Die Klage ist gegen den Insolvenzverwalter zu richten. Eine Klage gegen den ehemaligen Arbeitgeber ist unzulässig und wird abgewiesen.
- Besonderer Kündigungsschutz
Die Insolvenzordnung enthält keine Besonderheiten für arbeitgeberseitigen Kündigungen von Mitarbeitern, die durch das Gesetz besonders gegen Kündigungen geschützt sind. Diese Schutzrechte beispielsweise für Schwerbehinderte, Schwangere, Mitarbeiter in der Elternzeit, Betriebsratsmitglieder gelten im vollen Umfang weiter.
- Beschlussverfahren nach § 126 InsO
Im betriebsratlosen Betrieb hat der Insolvenzverwalter die Möglichkeit, einen Antrag beim Arbeitsgericht zu stellen, um feststellen zu lassen, dass die Kündigung bestimmter, im Antrag bezeichneter Arbeitnehmer durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt und sozial gerechtfertigt ist (§ 126InsO). Gibt das Gericht den Antrag statt, gilt eine Vermutungswirkung bezüglich der Betriebsbedingtheit der Kündigung und der Sozialauswahl. Letztere wird im Hinblick auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit, dem Lebensalter und möglicher Unterhalts-pflichten geprüft. Im Gegensatz zu § 125 InsO ist die Überprüfung der Sozialauswahl aber nicht auf grobe Fehlerhaftigkeit beschränkt.
● Betriebsänderungen
Auch im Insolvenzfall gelten zur Realisierung von Betriebsänderungen zunächst die allgemeinen Voraussetzungen
- Interessensausgleich
- Sozialplan
Nur bei der gesetzlichen Zustimmung gibt es einige Erleichterungen.
- Interessenausgleich
Schließt der Insolvenzverwalter mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich ab, in dem die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, namentlich bezeichnet werden, schränkt die Insolvenzordnung (§ 125 InsO) den Kündigungsschutz dieser Arbeitnehmer ein.
Nicht ausreichend ist der Abschluss eines Interessenausgleichs, dem nicht eine unterschriebene Namensliste anhängt.
Nach § 125 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1 InsO wird vermutet, dass die Kündigungen der im Interessenausgleich bezeichneten Arbeitnehmer durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt sind, die eine Weiterbeschäftigung in diesem Betrieb oder zu geänderten Arbeitsbedingungen entgegenstehen. Dies hat zur Folge, dass in einem Kündigungsschutz-prozess die Beweislast umgekehrt wird. Nicht der Arbeitgeber, sondern der Arbeitnehmer ist darlegungs- und beweispflichtig. Er muss aufzeigen, dass dringende betriebliche Erfordernisse seiner Weiterbeschäftigung nicht entgegenstehen.
Außerdem kann die soziale Auswahl der in der Namensliste genannten Arbeitnehmer nur im Hinblick auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit, dem Lebensalter sowie den Unterhaltspflichten und insoweit auch nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden (§ 125 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 2 InsO).
Der Begriff „grobe Fehlerhaftigkeit“ ist gesetzlich nicht weiter definiert. In einem Verfahren vor dem LAG Frankfurt (1999) wurde der Begriff wie folgt definiert:
„Grob fehlerhaft ist die Sozialauswahl, wenn eines der sozialen Grunddaten überhaupt nicht beachtet oder seiner Gewichtung grob vernachlässigt worden ist oder die Anwendung eines Punktschemas im Einzelfall zu einer groben Ungerechtigkeit führt.“
§ 125 InsO bestimmt zusätzlich, dass die Sozialauswahl dann nicht als grob fehlerhaft gilt, wenn dadurch eine ausgewogene Personalstruktur erhalten oder geschaffen wird. Die ausgewogene Personalstruktur kann sich aus der Altersstruktur, aus den verschiedenen Altersgruppen oder auch aus der Beschäftigungsstruktur der Arbeitnehmer ergeben.
Außerdem kann der Interessenausgleich gemäß § 125 Abs. 2 InsO die Stellungnahme des Betriebsrates zur Massenentlassung nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG ersetzen, wenn er der Anzeige an die Agentur für Arbeit beigefügt wird.
Dagegen kann er nicht die Anhörung des Betriebsrates nach § 102 BetrVG ersetzen.
- Sozialplan
Für den Sozialplan in der Insolvenz legt § 123 Abs. 1 InsO eine Begrenzung des absoluten Sozialplanvolumens fest. Die maximale Abfindungshöhe beträgt pro Arbeitnehmer 2,5 Monatsgehälter. Als Monatsverdienst ist der Bruttoverdienst einschließlich aller Sachbezüge zugrunde zu legen.
Wird ein höheres Sozialplanvolumen vereinbart, so ist dies unwirksam.
Darüber hinaus gibt es eine weitere Volumenbeschränkung. Sie Summe aller Sozialplan-forderungen darf nicht höher sein als ein Drittel der Teilungsmasse. Wird dieses Volumen überschritten, werden alle einzelnen Sozialansprüche anteilig gekürzt.
Die Sozialplananforderungen sind gemäß § 123 Abs. 2 Satz 1 InsO Masseforderungen und müssen nicht zur Tabelle angemeldet werden.
- Gerichtliche Zustimmung zur Durchführung von Betriebsänderungen
Der Insolvenzverwalter hat die Möglichkeit, beim Amtsgericht die Zustimmung zur Durchführung von Betriebsänderungen zu beantragen. ohne das zuvor das Verfahren nach § 112 Abs. 2 BetrVG, also Vermittlungsversuch des Präsidenten der jeweiligen Landesagentur für Arbeit sowie das Verfahren von der Einigungsstelle, durchgeführt wird.
Die gesetzliche Zustimmung kann nur erteilt werden, wenn ein Interessenausgleich nicht innerhalb von drei Wochen nach Verhandlungsbeginn oder schriftliche Aufforderung zur Aufnahme von Verhandlungen zustande kommt, obwohl der Insolvenzverwalter den Betriebsrat rechtzeitig umfassend unterrichtet hat.
Dem Insolvenzverwalter wird so ermöglicht, Betriebsänderungen zügig durchzuführen, ohne erst das zeitaufwendige Einigungsstellenverfahren zu durchlaufen, aber ohne dass den von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmern ein Anspruch auf Nachteilsausgleich nach § 113 BetrVG eingeräumt würde.
Das Gericht hat über diesen Antrag vorrangig zu entscheiden (§ 122 Abs. 3 Satz 1 InsO) und hat die Zustimmung zu erteilen, wenn die wirtschaftliche Lage auch unter Berücksichtigung der sozialen Belange der Arbeitnehmer erfordert, dass die Betriebsänderung ohne vorheriges Einigungsstellenverfahrens durchgeführt wird.
● Insolvenzgeld
Für Arbeitgeber und Arbeitnehmer stellt sich beim Thema Insolvenz zunächst die Frage, was mit rückständigen Gehältern geschehen soll. Für die Geltendmachung von Zahlungsan-sprüchen gegenüber dem Insolvenzverwalter ist zunächst zu unterscheiden, wann die Ansprüche entstanden sind.
Lohnansprüche vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind gewöhnliche Insolvenz-forderungen, die zur Tabelle anzumelden sind, und die bei Beendigung des Insolvenzverfahrens nach Maßgabe der Insolvenzquote zu erfüllen sind. Da gewöhnlich Insolvenzforderungen praktisch immer zum größten Teil ausfallen, springt für die letzten drei Monate vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Agentur für Arbeit mit dem so genannten Insolvenzgeld ein.
Lohnansprüche nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelten als „Masseforderungen“. Diese sind relativ gut gesichert, da sie aus der Insolvenzmasse vorweg, d. h. vor den gewöhnlichen Insolvenzforderungen zu erfüllen sind.
Gemäß 183 ff SGB III haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens für die der Verfahrenseröffnung vorausgehenden drei Monate noch Anspruch auf Arbeitsentgelt haben. Der Anspruch auf Arbeitsentgelt haben. Der Anspruch auf Insolvenzgeld muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten bei der Bundesagentur für Arbeit beantragt werden.
Das Insolvenzgeld ist im Vergleich zum Arbeitslosengeld eine bessere Leistung, da es das Nettogehalt in voller Höhe (100%) und nicht nur in Höhe von 60 % ersetzt. Außerdem ist es eine Sonderleistung der Agentur für Arbeit, d. h. der Anspruch auf Arbeitslosengeld wird für die Zeit der Gewährung von Insolvenzgeld nicht verbraucht.
Mit dem Insolvenzgeld sollen die vorleistungspflichtigen Arbeitnehmer vor dem Risiko des Lohnausfalls bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers geschützt werden.
Finanziert wird das Insolvenzgeld durch eine Umlage, die alle Arbeitgeber zu zahlen haben (358 ff SGB).
Das Insolvenzgeld lässt sich auch bei der Sanierung geschickt einsetzen. Dabei ist eine Sanierung so zu planen, dass bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Lohnzahlungen für drei Monate rückständig sind. In diesem Fall erhalten die Arbeitnehmer ihren Lohn als Insolvenzgeld. Damit wird die Liquidität des Unternehmens mit Lohnzahlungen für den Zeitraum von drei Monaten entlastet. Da die Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistungen weiterhin erbringen, fließt dem Unternehmen die Wertschöpfung durch den Verkauf der produzierten Güter oder Dienstleistungen voll zu.
Die Zahlungen auf Insolvenzgeld sind dem Unternehmen aber nicht auf Dauer erlassen. Das Geld ist als Masseforderung aus der Insolvenzmasse der Arbeitsagentur zurückzuerstatten.