Aus vielfältigen Gründen werden Firmen und Arbeitgeber insolvent und zahlungsunfähig. Für die Arbeitnehmer dieser Unternehmen bedeutet das nicht nur den Verlust des Arbeitsplatzes. Regelmäßig schuldet der insolvente Arbeitgeber den Arbeitnehmern auch noch Lohn- oder Gehaltsansprüche für zum Teil monatelange Arbeit. Gerade in der Phase der Insolvenz muss der Arbeitnehmer besonders stark auf seine Rechte und Ansprüche achten. Erschwert wird die richtige Entscheidung durch die große Planungsunsicherheit, die durch Zahlungsrückstände, Insolvenzanträge des Arbeitgebers, vorläufige und endgültige Insolvenzbeschlüsse des zuständigen Insolvenzgerichtes ausgelöst werden.
Nachfolgend einige Tipps, um die wesentlichen Dinge richtig anzugehen.
Gutgemeinte Zugeständnisse, um das Schlimmste abzuwenden, können Sie teuer zu stehen kommen:
● Die Agentur für Arbeit berechnet Insolvenzgeld danach, welches Salär Ihnen zusteht
(Zuflussprinzip). Wer auf Lohn verzichtet, bekommt kein Insolvenzgeld.
● Wer ein niedrigeres Gehalt akzeptiert, wenn auch bei reduzierter Arbeitszeit, schmälert das
Arbeitslosengeld. Denn das richtet sich nach den zuletzt gezahlten sechs Monats-
einkommen.
● Keine Probleme mit der Agentur für Arbeit zieht es nach sich, wenn Sie der Firma
ausstehendes Gehalt stunden. Auch hier kommt es darauf an, wie Sie die Abmachung
formulieren. Reden Sie vorher mit einem Juristen oder mit der Agentur für Arbeit.
Wer vorschnell kündigt, straft sich mehrfach selbst:
● Vielleicht findet sich ein potenzieller Käufer für den Betrieb. Steigt dieser vor der
Insolvenzeröffnung ein, haftet er für ausstehende Löhne seines Vorgängers.
● Geht das Unternehmen in die Brüche, bringen Sie sich mit der Kündigung möglicherweise
um eine Abfindung aus dem Sozialplan.
● Die Agentur für Arbeit kann eine Sperre für das Arbeitslosengeld verhängen, wenn Sie das
Handtuch verfrüht werfen. Steht lediglich ein Monatsgehalt aus, zahlt die Behörde zunächst
keine Unterstützung.
● Der Anspruch auf Insolvenzgeld geht durch die Kündigung nicht verloren - selbst wenn die
Insolvenz erst Monate später eintritt.
Wenn das Gehalt nicht am gewohnten Tag auf dem Konto eintrifft, können Sie nicht einfach zu Hause bleiben. Zum einen sollten Sie Ihren Arbeitsplatz nicht unnötig gefährden. Vielleicht ist die Firma nur vorübergehend zahlungsunfähig, vielleicht lässt sich das Unternehmen noch sanieren oder es wird übernommen.
Abgesehen davon dürfen Sie die Arbeit nicht gleich einstellen, wenn sich die Überweisung mal verzögert. Ein sogenanntes Zurückhalterecht steht Ihnen erst zu, wenn
● die Firma erheblich mit dem Lohn in Rückstand geraten ist
● ihr kein erheblicher Schaden dadurch entsteht
● Sie ausstehende Beträge erfolglos angemahnt haben.
Setzen Sie den Arbeitgeber eine Frist, ausstehendes Geld samt aufgelaufener Zinsen nachzuzahlen. Arbeitnehmer müssen ihre Firma schriftlich und eindeutig auffordern, Außenstände zu überweisen (Bundessozialgericht Az. 10 Rar 8/94). Ansonsten laufen sie Gefahr, Ansprüche gegenüber der Agentur für Arbeit zu verlieren.
Laut Gesetz verjähren Lohnforderungen gegenüber der Firma nach zwei Jahren - gerechnet ab Jahresbeginn nach Fälligkeit. Viele Tarifverträge setzen jedoch kürzere fest, in der Regel zwei Monate. Nach dieser Ausschlussfrist verfällt der Anspruch.
Die meisten Tarifverträge schreiben vor, dass der Mitarbeiter innerhalb einer bestimmten Frist eine Zahlungsklage beim Amtsgericht einreichen muss, um seinen Lohnanspruch zu retten.
Ein Beispiel für eine derartige Ausschlussfrist ist der Bautarif. Innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit müssen Arbeitnehmer Gehaltsrückstände schriftlich einfordern. Reagiert die Firma darauf nicht innerhalb von zwei Wochen, bleiben dem Mitarbeiter weitere zwei Monate, um Klage zu erheben. Danach verfällt der Lohnanspruch.
Das Verfahren endet in aller Regel mit einem Urteil oder Vergleich. Diese „Titel“ berechtigen einen Gerichtsvollzieher, das ausstehende Geld für den Arbeitnehmer einzutreiben - und zwar 30 Jahre lang.
Das Risiko für den Kläger: Vor dem Arbeitsgericht zahlt jede Partei seine Anwaltskosten selbst. Die Gerichtskosten trägt zwar der Verlierer. Ist bei dem jedoch nichts zu holen, muss die gegnerische Seite einspringen. Dann heißt es für den Mitarbeiter: „Außer Spesen nichts gewesen!“
Man sollte auf jeden Fall aber auf Zahlung klagen, denn wenn man den Lohnanspruch verfallen lässt, verweigert die Agentur für Arbeit das Insolvenzgeld.
Sobald das monatliche Gehalt nicht mehr eintrifft, sollten Sie sich bei der Agentur für Arbeit melden. Arbeitslosengeld bekommen Sie zwar erst, wenn Sie nicht mehr arbeiten, aber wenn es zum Konkurs kommt, steht Ihnen Insolvenzgeld zu. Die Agentur für Arbeit erstattet ausstehende Löhne für letzten drei Monat, bevor das Insolvenzverfahren eröffnet oder mangels Masse abgelehnt oder der Betrieb eingestellt wird.
Sie müssen den Lohnersatz innerhalb von zwei Monaten nach diesem Stichtag beantragen. Scheiden Sie vorher aus, zahlt die Agentur für Arbeit bis zu drei ausstehende Gehälter vor der Kündigung. Vor allem, wenn die Betriebsleitung die Belegschaft nicht über den Stand der Dinge informiert, sollten Sie vorsorglich Insolvenzgeld beantragen. Damit vermeiden Sie, die Frist zu versäumen.
Versuchen Sie das Insolvenzgeld möglichst auszuschöpfen. Es ist ein Drittel höher als das Arbeitslosengeld. Sie bekommen das Nettogehalt (einschließlich Provisionen, Spesen, Zuschläge, anteiligem Weihnachtsgeld etc.). Außerdem rechnet es die Agentur der Arbeit nicht auf die Bezugszeit an, wenn Sie später arbeitslos sind.
Wenn Sie erfahren, dass das Insolvenzverfahren eröffnet oder abgelehnt wurde, sollten Sie aufhören zu arbeiten. Denn ab diesem Tag erhalten Sie kein Insolvenzgeld mehr. Dasselbe gilt, wenn Sie seit drei Monaten kein Gehalt mehr bekommen haben. In diesen Fällen sollten Sie kündigen und Arbeitslosengeld beantragen - außer, es zeichnet sich eine Übernahme oder Sanierung ab.
Die Agentur für Arbeit übernimmt zwar bis zu drei Gehälter, die der Arbeitgeber nicht mehr überweist. Die Agentur für Arbeit zahlt jedoch erst nach dem Tag, an dem das Insolvenzverfahren eröffnet oder abgelehnt wird. Die Zwischenzeit müssen Sie überbrücken. Das Sozialamt gewährt Hilfe zum Lebensunterhalt - vielleicht zwar nur als rückzahlbares Darlehen, in jedem Fall aber günstiger als ein Überziehungskredit Ihrer Bank.