● Formelles Registerrecht
- Was ist das Handelsregister?
Das Handelsregister (HR) ist ein elektronisch geführtes öffentliches Register (§ 8 I HGB, § 374 Nr. 1 FamFG) zur Beurkundung bestimmter, für den Handelsverkehr bedeutsamer Tatsachen.
Es verzeichnet Kaufleute und Handelsgesellschaften unter ihrer Firma. Der Publizität dienen auch das elektronische Unternehmensregister (§ 8b HGB) und die elektronisch geführten Partnerschaftsregister und Genossenschaftsregister.
In Gesetzen finden sich Vorschriften über die Pflicht zur Eintragung und zur Anmeldung eintragungspflichtiger Tatsachen; die Eintragung kann mit Zwangsgeld erzwungen werden.
Einsicht in das HR ist jedem zur Information gestattet (§ 9 HGB). Gemäß
§ 9a HGB ist ein Onlineabruf möglich. I. Ü. erfolgt die öffentliche Bekanntmachung der eingetragenen Tatsachen durch den Bundesanzeiger (§ 10 HGB). Den Behörden gegenüber wird ein Zeugnis über Eintragungen oder Fehlen solcher durch ein Positivattest bzw. Negativattest erbracht.
-- in einer Abteilung A finden sich die Eintragungen für Einzelkaufleute und Personengesellschaften,
-- in der Abteilung B solche für Kapitalgesellschaften.
Handelsregister | |
Abteilung A Einzelunternehmen und Personengesellschaften | Abteilung B Kapitalgesellschaften |
Inhalt - Firma und Ort der Niederlassung | Inhalt - Firma, Sitz und Gegenstand der Unternehmung |
Eintragungsfähig sind nur bestimmte Tatsachen, nicht alle handelsrechtlich bedeutsamen Umstände (beispielsweise nicht die Handlungsvollmacht).
Eintragungsvoraussetzung ist neben der Eintragungsfähigkeit regelmäßig die Anmeldung zur Eintragung, also ein dahingehender Antrag (Ausnahme: Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, § 32 HGB).
Rechtsgrundlagen für das Handelsregister sind:
-- §§ 8-16 HGB
-- VO über die Einrichtung und Führung des Handelsregisters (HRV)
-- FamFG
- Warum gibt es ein Handelsregister?
Das Handelsregister soll die Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs unter Kaufleuten und deren Geschäftspartnern gewährleisten. Das Register macht bestimmte Rechtsvorgänge offenkundig (Publizitätsprinzip).
Wesen des Handelsregistereintrags | |
Öffentlichkeit - Jedermann hat das Recht auf Einsicht und auf Register- - Alle Eintragungen sind im Bundesanzeiger und | Öffentlicher Glaube - Eintragungen können grundsätzlich gegen jedermann
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Wirkung | |
Rechtsbezeugend (deklatorisch) - Eine bereits eingetretene Rechtswirkung wird | Rechtserzeugend (konstruktiv) - Erst durch die Eintragung wird die Rechtswirkung erzielt |
- Wo wird das Handelsregister geführt?
Die Zuständigkeit liegt bei den Amtsgerichten, § 8 HGB. Nach § 8 I HGB wird das Handelsregister elektronisch geführt. Anmeldungen zur Eintragung in das Handelsregister sind elektronisch in öffentlich beglaubigter Form einzureichen (§ 12 I 1 HGB); Dokumente sind elektronisch einzureichen (§ 12 II 1 HGB).
● Die Publizitätswirkungen des Handelsregisters (Materielles Registerrecht - § 15 HGB)
Das Handelsregister hat die Aufgabe, die für den Rechtsverkehr bedeutsamen Tatsachen kund zu tun (s.o.). Dabei kommt der Bestimmung des § 15 HGB eine besondere Bedeutung zu. Zweck dieser Bestimmung ist es, die Relevanz richtiger und unrichtiger Eintragungen sowie Bekanntmachungen und das Unterlassen von gebotenen Eintragungen und Bekanntmachungen zu regeln.
Das Handelsregister hat für den Rechtsverkehr eine vertrauenszerstörende und vertrauensschützende Wirkung.
- § 15 II 1 HGB enthält (lediglich eingeschränkt durch § 15 II 2 HGB und § 242 BGB) den
Grundsatz, dass eine eintragungspflichtige Tatsache einem Dritten entgegen gehalten werden
kann, wenn sie eingetragen und bekannt gemacht ist. Hier zerstört die Publizität des
Handelsregisters das etwaige Vertrauen auf eine ehemals bestehende Rechtslage.
- § 15 I und III HGB schützen hingegen das Vertrauen des (gutgläubigen) Dritten im
Rechtsverkehr:
-- Im Hinblick auf das Schweigen des Handelsregisters bzw. der maßgeblichen Bekanntmachungsorgane i.S. von § 10 I HGB über eine eintragungspflichtige Tatsache schützt § 15 I HGB das Vertrauen in das Nichtvorliegen der Tatsache (Schweigen des Handelsregisters, negative Publizität).
-- § 15 III HGB sichert das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Richtigkeit bekannt gemachter Tatsachen (positive Publizität).
- Schutz Dritter bei Nichteintragung oder Nichtbekanntmachung eintragungspflichtiger
Tatsachen (§ 15 I HGB)
15 I HGB betrifft das Schweigen des Handelsregisters. Geschützt ist das Vertrauen auf die sog. negative Publizität des Registers, nicht aber das Vertrauen, dass das Handelsregister mit der wirklichen Rechtslage übereinstimmt.
-- Voraussetzungen
Prüfungsschema: Voraussetzungen von § 15 I HGB
(1) Einzutragende (= eintragungspflichtige) Tatsache
(2) Nichteintragung und/oder Nichtbekanntmachung der
eintragungspflichtigen Tatsache
(3) Guter Glaube des Dritten (nur positive Kenntnis schadet!)
(4) Potentielle Möglichkeit der Kausalität („abstraktes Vertrauen“)
-- Typische Probleme zu § 15 I HGB
a)
Nach herrschender Meinung findet § 15 I HGB auch dann Anwendung, wenn die Tatsache weder ein- noch ausgetragenwurde.
Beispiel
Eine wirksam erteilte, in das Handelsregister nicht eingetragene Prokura wird widerrufen, der Widerruf aber nicht in das Handelsregister eingetragen.
Die herrschende Meinung begründet ihren Standpunkt damit, dass der Rechtsverkehr von der Prokura auch auf anderem Wege als durch Registereintrag Kenntnis erlangt haben kann. Damit bedürfe es der „Zerstörung“ des dadurch hervorgerufenen Rechtsscheins im Wege der Ein- bzw. Austragung.
b)
§ 15 HGB greift nach herrschender Meinung auch in Fällen fehlender Firmeneintragung.
Beispiel
Widerruf einer Prokura durch nicht eingetragenen Kaufmann.
c)
Nach herrschender Meinung ist eine Zurechenbarkeit nicht erforderlich, denn es geht bei § 15 I HGB um das allgemeine Organisationsrisiko des Unternehmers, der Verzögerungen und Fehler des Registergerichts nicht auf den Rechtsverkehr abwälzen können soll. Unter Umständen besteht ein Schadensersatzanspruch gegen den Staat nach § 839 BGB, Art. 34 GG.
d)
Nach BGH NJW 1991, 2567 findet § 15 I HGB auch zu Lasten nicht vollgeschäftsfähiger Personen Anwendung. Argumentiert wird damit, dass es nicht auf Veranlassung ankomme; insoweit gehe der Verkehrsschutz dem Schutz des Minderjährigen vor.
e)
Dem Dritten schadet nur die positive Kenntnis der wahren Sachlage. Zurechnung fremden Wissens über § 166 BGB ist allerdings denkbar.
f)
Nach herrschender Meinung muss Kausalitätnur abstrakt gesehen möglich sein (geschützt wird ein abstraktes Vertrauen). Es kommt nicht darauf an, ob der Dritte das Register und die Bekanntmachungsblätter eingesehen bzw. gelesen und damit konkret im Vertrauen auf eine unverändert gebliebene Rechtslage gehandelt hat. Kenntnis des Registerinhalts bzw. der Bekanntmachungsblätter sowie Kausalität des Schweigens für das Verhalten des Dritten werden insoweit unterstellt bzw. unwiderleglich vermutet.
g)
Soweit es das Auseinanderfallen von Registereintrag und wahrer Rechtslage betrifft, steht dem vertrauenden Dritten ein Wahlrecht zu. Er kann sich auf § 15 I HGB, aber auch auf die wahre Rechtslage berufen.
h)
Sind mehrere eintragungspflichtige Tatsachen verschwiegen, die dem Dritten Teils günstig, teils ungünstig sind, so kann sich der Dritte für die ihn ungünstigen auf § 15 I HGB, für die ihn günstigen auf die wahre Rechtslage berufen.
Problematisch ist allerdings, was gilt, wenn die verschwiegene, dem Dritten günstige Tatsache zugleich mit einer dem Dritten ungünstigen Tatsache zusammenhängt (sog. Rosinentheorie) -
Beispiel:
Bei einer KG mit zwei nur gesamtvertretungsberechtigten Komplementären (vgl. § 125 II HGB) scheidet einer aus der Gesellschaft aus; anschließend vereinbart der andere (nunmehr einzelvertretungsberechtigte) Gesellschafter einen Vertrag mit einem Dritten, der später den Ausgeschiedenen in Anspruch nimmt.
Der BGH lässt eine selektive Berufung auf § 15 I HGB zu. Die Gegenauffassung ist der Meinung, der Handelsregisterinhalt könne nur in seiner Gesamtheit gewürdigt werden und derjenige, der sich hinsichtlich einer Tatsache auf das Handelsregister berufe, müsse sich entsprechend dem Gesamtinhalt des Registers behandeln lassen (hier: Anerkennung der Gesamtvertretungsmacht). Der BGH weist hingegen darauf hin, dass dies im Gesetz keine Stütze finde; für die Richtigkeit seiner Einschätzung – so der BGH – spreche bereits der Wortlaut des § 15 I HGB, der die Geltendmachung einer nicht eingetragenen Tatsache nur gegenüber einem Dritten, nicht auch gegenüber demjenigen, in dessen Angelegenheiten sie einzutragen war, für unzulässig erklärt. Dementsprechend könne sich ein Außenstehender jederzeit auf die wirkliche Sachlage berufen, wenn ihm das günstiger erscheine. Dass dem Dritten dies dann verwehrt wäre, wenn er sich gleichzeitig in anderer Hinsicht auf den von der wahren Sachlage abweichenden Registerinhalt beruft, könne weder dem Wortlaut noch dem Sinn der Vorschrift entnommen werden.
- Schutz bei richtiger Eintragung und Bekanntmachung (§ 15 II HGB)
§ 15 II HGB geht es um den Schutz desjenigen, für den die Eintragung erfolgt, mithin geht es um den Schutz des Kaufmannes.
Prüfungsschema: Voraussetzungen von § 15 II HGB
1. Eintragungspflichtige Tatsache, die inhaltlich richtig („Tatsache“)
sein muss
2. Eintragung und Bekanntmachung sind erfolgt
Zu beachten ist, dass die Grundsätze der Rechtsscheinhaftung ausnahmsweise auch gegen den Registerinhalt Anwendung finden und sich gegenüber diesem durchsetzen können (Wertung mit Blick auf einen Rechtsmissbrauch, § 242 BGB).
Beispiele:
Firma, die die Haftungsbegrenzung (GmbH) nicht erkennen lässt; Firma ohne Zusatz „e.K.“; ständige Geschäftsbeziehung und Änderung maßgeblicher Verhältnisse des Kaufmanns (beispielsweise Entzug Prokura, Umwandlung einer Gesellschafterstellung).
§ 15 II 2 HGB kommt gegenüber dem Vorerwähnten praktisch keine selbständige Bedeutung zu.
- Schutz Dritter bei falscher Bekanntmachung ( § 15 III HGB)
Bei § 15 III HGB geht es um das „Reden des Handelsregisters“. Rechtsscheingrundlage ist aber nicht das Handelsregister bzw. die dort vorgenommenen Eintragungen, sondern die gegenüber der wahren Sachlage unrichtige Bekanntmachung (daher eigentlich richtig: „Reden der Bekanntmachung“).
§ 15 III HGB wurde 1969 aufgrund einer Richtlinie der damaligen EWG in das Gesetz eingefügt. Die Bestimmung geht über den Anwendungsbereich der Richtlinie, die sich nur auf Kapitalgesellschaften bezieht, hinaus und erfasst auch Personenhandelsgesellschaften und Einzelkaufleute.
Vor Einfügung von § 15 III HGB in das HGB galten zwei von der Rechtsprechung und Lehre entwickelte gewohnheitsrechtliche Ergänzungssätze zu § 15 I HGB:
-- Wer eine unrichtige Anmeldung zum Handelsregister abgibt, muss sich an seine Erklärung gegenüber gutgläubigen Dritten festhalten lassen.
-- Wer eine nicht veranlasste, unrichtige Eintragung im Handelsregister schuldhaft nicht beseitigen lässt, kann an der Eintragung von gutgläubigen Dritten festgehalten werden.
Die vorgenannten Sätze kommen auf der Grundlage des jetzt geltenden Rechts nur noch dann zur Anwendung, sobald § 15 III HGB nicht eingreift.
-- Prüfungsschema
Prüfungsschema: Voraussetzungen von § 15 III HGB
1. Eintragungspflichtige Tatsache
2. Unrichtige Bekanntmachung (entscheidend ist der Vergleich zwischen
dem wahren Sachverhalt und dem Inhalt der Bekanntmachung)
a) Normalfall: Richtige Eintragung + falsche Bekanntmachung
b) Problem 1: Falsche Eintragung + falsche Bekanntmachung – dieser
Fall wird dem von § 15 III HGB ausdrücklich geregelten Fall gleich-
gestellt
c) Problem 2: Fehlende Eintragung + falsche Bekanntmachung – auch
hier gilt § 15 III HGB
d) Problem 3: Falsche Eintragung + richtige Bekanntmachung – hier
soll § 15 III HGB keine Anwendung finden, vielmehr orientiert sich
die Lösung dieser Fallgruppe an allg. Rechtsscheingrundsätzen
(herrschende Meinung.)
3. Gutgläubigkeit (nur positive Kenntnis schadet)
-- Typische Probleme des § 15 III HGB (Zusammenfassung)
a)
§ 15 III HGB ist auch anwendbar bei unrichtiger oder gar fehlender Eintragung, s.o.
b)
§ 15 III HGB ist nicht anwendbar bei unrichtiger Eintragung und richtiger
oder fehlender Bekanntmachung; hier gelten die allgemeinen Rechtsscheingrundsätze.
c)
§ 15 III HGB gilt nicht bei nicht veranlasster Bekanntmachung. Hier wird mit den weitreichenden Haftungsfolgen für unbeteiligte Dritte argumentiert.
d)
Nach herrschender Meinung soll § 15 III HGB auch zu Lasten nicht Vollgeschäftsfähiger wirken. Hiergegen wird in der Rechtslehre argumentiert, der Schutz des Minderjährigen folge dem Veranlassungsprinzip(s.o. c)).
e)
Nach herrschender Meinung ist keine Kenntnis des Dritten von der Bekanntmachung und keine Kausalität gefordert.
- Schutz Dritter bei falscher Eintragung und richtiger oder fehlender Bekanntmachung
(allgemeine Rechtsscheingrundsätze)
-- Prüfungsschema
Prüfungsschema: Schutz Dritter bei falscher Eintragung
a) Rechtsscheinsetzung durch falsche Eintragung
b) Zurechenbarkeit
c) Gutgläubigkeit des Dritten
d) Kausalität
aa) Zwischen Gutgläubigkeit und Rechtsscheinhandlung
bb) Zwischen falscher Eintragung und Gutgläubigkeit (Einsicht in das Handelsregister
erforderlich!)
-- Rechtsfolge
Unter den vorgenannten Voraussetzungen kann sich der Betroffene nicht auf die wirkliche Rechtslage berufen.