Der Begriff „Gewerbe“ bestimmt den Anwendungsbereich des Gewerberechts und der Gewerbefreiheit.
Er findet sich auch in anderen Rechtsgebieten, z.B. im Steuerrecht
(„Gewerbesteuer“) und im Strafrecht („gewerbsmäßiger Diebstahl“, „gewerbsmäßige Hehlerei“).
Eine einheitliche Begriffsbildung verbindet sich damit aber nicht. Vielmehr ist der steuerrechtliche Gewerbebegriff am Einnahmezweck des Steuerrechts, der strafrechtliche Begriff der „Gewerbsmäßigkeit“ an der besonderen Verwerflichkeit und Strafwürdigkeit solcher Tätigkeiten orientiert.
Der Begriff „Gewerbe“ im Sinne des Gewerberechts ist deshalb eigenständig zu bestimmen.
Die GewO setzt den Begriff voraus, definiert ihn aber nicht. Rechtswissenschaft und Rechtsprechung haben aber schon lange eine Definition entwickelt. Diese ist recht allgemein gehalten, so dass auch neue wirtschaftliche Tätigkeiten immer wieder unter den Gewerbebegriff subsumiert oder aus ihm ausgeschlossen werden können.
Definition:
Ein Gewerbe ist eine erlaubte, auf Dauer angelegte oder fortgesetzte, selbständige, mit Gewinnerzielungsabsicht betriebene Tätigkeit, die nicht Urproduktion, freier Beruf oder die Verwaltung oder Nutzung eigenen Vermögens ist.
Diese Definition weist vier positive Merkmale auf, die unter dem Begriff der Gewerbsmäßigkeit, und drei Merkmale, die unter dem Begriff der Gewerbsfähigkeit zusammengefasst werden. Die Prüfungsreihenfolge ist nicht logisch vorgegeben.
● Gewerbsmäßigkeit
- Dauerhaftigkeit bzw. Fortsetzung
Dauerhaft oder fortgesetzt wird eine Tätigkeit betrieben, wenn sie nicht nur einmalig oder vorübergehend ausgeführt wird. Nicht erforderlich ist die ununterbrochene Ausübung, ein saisonaler Betrieb (z.B. einer Eisdiele) reicht grundsätzlich aus.
Wird die Tätigkeit zum ersten Mal ausgeübt, kommt es für die Dauerhaftigkeit darauf an, ob Wiederholungs- oder Fortsetzungsabsicht besteht.
Beispiel:
Ein einmaliger Ticketverkauf vor einem Fußballspiel, wenn bestimmte Indizien für eine Wiederholungsabsicht sprechen.
- Selbständigkeit
Selbständig wird eine Tätigkeit ausgeübt, wenn sie in eigenem Namen, in eigener Verantwortlichkeit und auf eigene Rechnung erfolgt.
Indizien für eigene Verantwortlichkeit sind persönliche Unabhängigkeit, insbesondere Weisungsfreiheit bei der Ausführung der Tätigkeit und die Möglichkeit, über die Gestaltung der Tätigkeit sowie die Zeiteinteilung frei zu verfügen.
Das Kriterium der Selbständigkeit dient vor allem der Abgrenzung von Gewerbetreibenden zu Arbeitnehmern im Anstellungsverhältnis und zu Stellvertretern.
Beispiele:
Pächter oder Franchisenehmer, die selbst das unternehmerische Risiko tragen.
Die Einordnung der „Selbständigkeit“ kann im Arbeitsrecht und im Gewerberecht auseinanderfallen.
Der Zweck des Arbeitsschutzes und der sozialen Sicherung kann die arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Einordnung einer Tätigkeit als abhängige Beschäftigung im Arbeits- und Sozialrecht erfordern; der Zweck der Wirtschaftsüberwachung kann es gleichzeitig rechtfertigen, diese Tätigkeit gewerberechtlich als selbständige Tätigkeit einzuordnen und sie den gewerberechtlichen Bindungen zu unterwerfen.
§ 14 Abs. 1 GewO nennt das Merkmal der Selbständigkeit zusätzlich zum Gewerbebegriff. Hier ist unklar, ob sich das Merkmal auf die ausgeübte Tätigkeit oder auf den Gewerbebetrieb (in Abgrenzung zur unselbständig betriebenen Zweigstelle) beziehen soll. In der Kommentierung der Vorschrift wird beides vertreten.
- Erlaubt sein
Die Tätigkeit darf nicht gesetzlich verboten und (so die herrschende Auffassung) nicht sittenwidrig sein.
Beispiele:
Gewerbsmäßige Hehlerei (§ 260 StGB), bestimmtes Glücksspiel (§ 284 StGB), gewerbsmäßiger Kreditwucher (§ 320d StGB) oder der Handel mit Organen und Geweben (§ 17 TransplG)
Sittenwidrig ist eine Tätigkeit, die dem „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ bzw. den „sozial-ethischen Wertvorstellungen der Rechtsgemeinschaft“ widerspricht.
Vereinzelt wird die Sittenwidrigkeit auch als „soziale Unwertigkeit“ bezeichnet.
Das Merkmal ist allerdings in rechtsstaatlich bedenklicher Weise unbestimmt. Der Maßstab der „guten Sitten“ ist ungenau und führt u.U. je nach Zeit und Ort zu unterschiedlichen Ergebnissen. Auch entscheidet erfahrungsgemäß nicht die Bevölkerung, sondern die Verwaltung und Gerichtsbarkeit über die „Sittenwidrigkeit“ einer Tätigkeit.
Ein Tätigkeitsverbot ohne gesetzliche Grundlage ist auch mit Blick auf
die Grundsätze der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit (vgl. Art. 20 Abs. 1, 3 GG) problematisch, da wesentliche Entscheidungen dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten sind.
Auch in der konkreten Handhabung hat sich die Kategorie „Sittenwidrigkeit“ nicht unbedingt bewährt, weshalb sie sehr zurückhaltend gehandhabt werden muss.
Beispiele:
Bejaht wurde Sittenwidrigkeit in der Vergangenheit u.a. bei Swinger-Clubs, Prostitution, Peep Shows, Laser-Drome, Paintball-Spielen. Geprüft und verneint wurde sie bei gewerblichen Samenbanken und Astrologie.
- Gewinnerzielungsabsicht
Die Tätigkeit muss zwar nicht mit Gewinn, aber mit der Absicht der Gewinnerzielung betrieben werden.
Die Erwirtschaftung von Gewinn (als Einnahmenüberschuss nach Deckung der Betriebskosten) ist ein Indiz für die Absicht der Gewinnerzielung.
An der Gewinnerzielungsabsicht fehlt es bei ehrenamtlichen Tätigkeiten und bei Liebhabereien.
Ist Staatstätigkeit auf Erfüllung öffentlicher Aufgaben angelegt, fehlt es ebenfalls an der Gewinnerzielungsabsicht (z.B. kommunale Abfallbeseitigung, städtisches Wasserwerk).
Erwerbswirtschaftliche Tätigkeit wird hingegen mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben (z.B. Staatsbrauerei Rothaus AG, Betrieb eines kommunalen Parkhauses).
Sind aus einer Tätigkeit Gewinne nur in sehr geringer Höhe zu erwarten, entspricht nach einer Auffassung in der Literatur das Gesamtbild der Tätigkeit nicht dem eines Gewerbes. Eine solche „Bagatellgrenze“ ist aber nicht nur schwer zu bestimmen, sondern auch überflüssig.
● Gewerbsfähigkeit
- Keine Urproduktion
Kein Gewerbe ist eine Tätigkeit zur Gewinnung roher Naturerzeugnisse, die auf der planmäßigen Nutzung der natürlichen Kräfte des Bodens und der sonstigen Natur beruht und damit der Urproduktion zuzuordnen ist. Historisch erklärt sich die Herausnahme der Land- und Forstwirtschaft aus dem Gewerberecht mit der Notwendigkeit einer von Grund und Boden sowie Witterung und Jahreszeiten abhängigen Arbeitszeit-gestaltung, die mit gewerberechtlichen Anforderungen an den Arbeitsschutz nicht vereinbar war.
Neben der Landwirtschaft zählen Forstwirtschaft, Garten- und Weinbau, das Sammeln wilder Früchte, Tierzucht, Jagd, Fischerei und Bergbau zur Urproduktion (vgl. auch die unsystematische und nicht abschließende Aufzählung in § 6 GewO).
Außerdem sind von der Urproduktion die erste Verarbeitungsstufe (Eigenproduktion von Saft und Wein aus selbst angebauten Früchten) sowie der Verkauf von Ur- und Eigenprodukten (Verkauf von Weihnachtsbäumen durch eine Baumschule; Verkauf von eigenen Produkten eines biologischen Landwirtschaftsbetriebs in einem ´“Hofladen“) erfasst.
Umstritten ist die Einordnung moderner Agrar- und Tiermastbetriebe, da in diesen Fällen die Urproduktion kaum noch witterungsabhängig betrieben wird. Der Streit hat keine große praktische Bedeutung, da § 6 Satz 2 GewO die „Viehzucht“ generell vom Anwendungsbereich des Gewerberechts ausnimmt.
- Kein freier Beruf
Auch „freie Berufe“ sind aus dem Gewerberecht ausgenommen (und auch von der Gewerbesteuer befreit).
Als „freier Beruf“ werden wissenschaftliche, künstlerische oder schriftstellerische Tätigkeiten oder Dienstleistungen höherer Art bezeichnet, die eine höhere Bildung (etwa ein Hochschulstudium) erfordern. Entscheidend ist dabei nicht, welchen Bildungsabschluss die ausführende Person hat, sondern welchen Abschluss die gerade ausgeübte Tätigkeit objektiv erfordert. Beispiele finden sich wiederum in § 6 GewO.
Beispiele:
Rechtsanwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer; Musiker; Unterrichtstätigkeit, sofern Dienstleistung höherer Art; Kunstmalerei
- Keine Verwaltung oder Nutzung eigen Vermögens
Nichtgewerblich ist schließlich eine Tätigkeit, die nach ihrem Gesamtbild unter Berücksichtigung der Intensität des Gewinnstrebens nur auf die Verwaltung oder Nutzung eigenen Vermögens ausgelegt ist. Dieses Abgrenzungsmerkmal nimmt Tätigkeiten aus dem Anwendungsbereich der GewO heraus, deren Gefahrenpotential gering ist, weil die Schwelle zu einer nachhaltigen Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr nicht überschritten wird. Häufig fehlt es in solchen Fällen schon an der Absicht der Gewinnerzielung oder der Dauerhaftigkeit.
Beispiele:
Betrieb von Ferienwohnungen in kleinem Umfang; Verwaltung eines Mietshauses aus Familienbesitz