Die Jahresabschlüsse, der Unternehmen enthalten eine Vielzahl von Einzelinformationen, die für sich betrachtet nur eine geringe Aussagefähigkeit haben. Aus diesem Grunde muss dieses Datenmaterial aufbereitet und im Rahmen eines Vergleiches mehrerer Geschäftsjahre sowie innerhalb der gleichen Branche bewertet werden. Diese Informationen ermöglichen den Vergleich der Zielgrößen mit den tatsächlichen Werten. Daraus leitet sich die Frage ab, worauf die Abweichungen von den Sollwerten zurückzuführen sind. Sind sie lediglich vorübergehender Natur bzw. leicht behebbar oder sind die Probleme des Unternehmens struktureller Natur?
Elemente der Bilanzanalyse
Die Bilanzanalyse verdichtet die großen Datenmengen zu aussagekräftigen Kennzahlen. Da diese für sich allein betrachtet nur einen sehr begrenzten Aussagewert haben, werden sie in Beziehung zu Vergleichswerten gesetzt:
- Zeitvergleich: Im Vergleich zu den Kennziffern der meist zwei Vorjahre ergibt sich eine zeitliche Entwicklung.
- Branchenvergleich (Betriebsvergleich): Im Vergleich zu den Kennziffern vergleichbarer Unternehmen derselben Branche kann die relative Situation des Unternehmens eingeschätzt werden.
Die Kapital- und Vermögenspositionen der Bilanz werden mit Hilfe von Kennziffern analysiert, indem zweckmäßige Gliederungen und Gruppierungen der Bilanzen sowie der Erfolgsrechnungen zueinander in Beziehung gesetzt werden.
In der Praxis werden meist folgende Größen untersucht:
Gliederung des Kapitals
Der Eigenfinanzierungsgrad zeigt auf, wie hoch der Finanzierungsanteil durch Eigenkapital ist. Er lässt somit erkennen, in welchem Umfang sich der Unternehmer selbst am Risiko und der Finanzierung seines Unternehmens beteiligt. Da das Eigenkapital dazu dient, mögliche Verluste eines Betriebes aufzufangen, zeigt der Eigenfinanzierungsgrad weiterhin an, wie risikobehaftet das Unternehmen ist.
Eigenfinanzierungsgrad = Eigenkapital x 100 : Bilanzsumme
Fremdfinanzierungsgrad = Fremdkapital x 100 : Bilanzsumme
Der Verschuldungsgrad ist das Spiegelbild des Eigenfinanzierungs-grades und lässt daher die entsprechenden Aussagen zu. Gemeinsam ergeben beide Größen immer 100 %.
Vermögensstruktur
Die Anlagequote hängt in ihrer Höhe von der Betriebsbranche ab. Im Allgemeinen sind Produktionsunternehmen anlageintensiver als z.B. Handelsbetriebe.
Anlagequote = Anlagenvermögen x 100 : Gesamtvermögen
Eine relativ hohe Anlagequote kann unter Umständen darauf hinweisen, dass der Betrieb stark automatisiert ist. Eine vergleichsweise niedrige Anlagequote könnte durch ein zu breites Sortiment, zu lange Fertigungszeiten oder aber auch durch Absatzstockungen hervorgerufen werden, da solche Entwicklungen das Umlaufvermögen - über die Zunahme des Lagerbestandes - ansteigen lassen. In solchen Fällen empfiehlt sich eine nähere Untersuchung des Lagerumschlages und der Debitorenlaufzeit.
Verhältnis zwischen Aktiva und Passiva
Anlagendeckungsgrad I = Eigenkapital x 100 : Anlagevermögen
Der Anlagedeckungsgrad I gibt an, inwieweit in dem Unternehmen die klassische "Goldene Bilanzregel" eingehalten wird. Nach dieser Faustregel soll das Eigenkapital ausreichen, um mindestens das Anlagevermögen und einen Teil des Umlaufvermögens zu decken. Damit will man die Gefahren ausschalten, die entstehen können, wenn langfristiges Vermögen durch Fremdkapital finanziert wird, dessen Verlängerung bei Fälligkeit nicht garantiert ist.
Anlagendeckungsgrad II = (Eigenkapital + langfristiges Fremdkapital) x 100 :
Anlagevermögen
Der Anlagedeckungsgrad II zeigt, ob die Fristen der Unternehmensfinanzierung der Lebensdauer der Anlagewerte angepasst sind. Ist diese Kennzahl größer als 100 %, so ist gewährleistet, dass langfristige Anlagewerte nur langfristig finanziert werden.
Liquidität
Liquidität 1. Grades = Kassenbestand + Kassenbestand + Schecks : kurzfristige Verbindlichkeiten
Liquidität 2. Grades = Liquidität 1. Grades + Forderungen : kurzfristige Verbindlichkeiten
Liquidität 3. Grades = Liquidität 1. und 2. Grades + Vorräte : kurzfristige Verbindlichkeiten
Kennzahlen über die liquiden Mittel der Unternehmen können nur mit sehr großen Einschränkungen als Beurteilungsgrundlage herangezogen werden:
- Sie erfassen bisher nur die formale, nicht die wirkliche Laufzeit der Verbindlichkeiten und berücksichtigen nicht die kurzfristigen Baraufwendungen für die Belegschaft und die Bereitstellung von Material;
- sie sind zum Zeitpunkt ihrer Auswertung meist mehrere Jahre alt;
- sie sind immer auf einen bestimmten Stichtag bezogen und können somit durch bilanzpolitische Maßnahmen der Unternehmung "geschönt" werden (Bilanzkosmetik).
Kapitalrentabilität
Das EBIT (Earnings before Interest and Taxes) stellt den Gewinn einer Unternehmung dar ohne Berücksichtigung von Zinsen und Steuern. Diese Größe trifft eine akkurate Aussage über die wirtschaftliche Leistung einer Unternehmung.
Das EBITDA (Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization; dt.: Jahresüberschuss vor Zinsaufwand, außerordentlichem Ergebnis, Steuern und Abschreibungen) stellt das operative Ergebnis dar und kann ermittelt werden durch EBIT + Amortisation auf Sachanlagen.
Betriebsrendite = EBIT x 100 : Umsatzerlöse
Betriebsrendite ist eine Rentabilitätskennzahl zur Messung der Effizienz, mit der ein Unternehmen die vorhandenen Geldmittel einsetzt.
Gesamtkapitalrentabilität = (Jahresgewinn + Fremdkapital - Zinsen) x 100 : Gesamtkapital
Die Gesamtkapitalrentabilität berücksichtigt, dass am Ertrag des Gesamtkapital nicht nur die Eigenkapitalgeber über den Gewinn, sondern auch die Fremdkapitalgeber über die Zinsenteilhaben. Die Größe ist unabhängig von Verschiebungen der Kapitalzusammensetzung. Ist die Gesamtkapitalrentabilität höher als die marktübliche Verzinsung für mittel- und langfristiges Kapital, so kann die Eigenkapitalrentabilität durch zusätzliche, fremdfinanzierte Investitionen verbessert werden. Ein Kreditgeber kann aus der Gesamtkaptalrentabilität ablesen, ob das Unternehmen zumindest die Fremdkapitalzinsen erwirtschaften kann, sofern die zugrunde gelegten Zahlen noch aussagefähig sind.
Eigenkapitalrentabilität = Jahresgewinn x 100 : Eigenkapital
Die Eigenkapitalrentabilität zeigt an, welche Rendite die Eigenmittel der Unternehmer abwerfen. Bei der Beurteilung dieser Größe ist jedoch zu berücksichtigen, dass der zugrunde gelegte Jahresgewinn z.B. auch die Entschädigung für die geleistete Arbeit der Kapitalgeber, die im Betrieb tätig sind („Unternehmerlohn“), oder die Risikoprämie für das allgemeine Unternehmerrisiko abdecken sollte.
Eine hohe Eigenkapitalrentabilität muss nicht unbedingt auf eine entsprechende Ertragskraft des Unternehmens hindeuten, sondern kann auch durch eine zu geringe Eigenkapitalausstattung hervorgerufen werden. Je niedriger der Anteil des Eigenkapitals an der Bilanzsumme ist, umso größer wird die Eigenkapitalrendite bei einem vorgegebenen Jahresgewinn. Aus diesem Grund kann die Entwicklung der Eigenkapitalrendite nur dann beurteilt werden, wenn geklärt ist, ob die Veränderungen durch einen anderen Eigenkapitalanteil oder durch die Ertragskraft hervorgerufen wurden.
ROI = Jahresgewinn x 100 : Gesamtkapital = Jahresgewinn : Umsatz x Umsatz :
Gesamtkapital
dabei ist:
Jahresgewinn : Umsatz = Umsatzrentabilität
Umsatz : Gesamtkapital = Kapitalumschlag
Return of Investment (ROI), der vor allem in den USA Verwendung findet, erlaubt eine bessere Aussage über die Ertragskraft eines Unternehmens. Er gibt an, welchen Gewinn das gesamte eingesetzte Kapital erbracht hat. Hat sich der ROI verändert, so kann durch die Zerlegung dieser Kennzahl ermittelt werden, ob eine Änderung der Umsatzrendite oder eine Veränderung des Kapitalumschlags die Ursache dafür ist.
EBIT = Gewinn vor Zinsen und Steuern
Dies ist eine aussagekräftige Größe über die wirtschaftliche Leistung eines Unternehmens.
EBITDA = Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen auf Sachanlagen und Abschreibungen auf immateriellen Vermögenswerte
Umsatzrentabilität
Umsatzrentabilität (gemessen am Betriebsergebnis) = Betriebsergebnis x 100 :
Gesamtumsatz
Die Umsatzrentabilität, gemessen am Betriebsergebnis, gehört zu den wichtigsten Kennzahlen für die Beurteilung der Ertragskraft einer Unternehmung. Sie zeigt auf, wie viel das Unternehmen an jedem umgesetzten "Euro" verdient.
Somit ist sie besonders gut für Zeit- und Branchenvergleiche geeignet. Die Bezugsgröße "Betriebsergebnis" umfasst im Gegensatz zum Jahresgewinn nur das Ergebnis des betrieblichen Leistungsprozesses, nicht jedoch das neutrale Ergebnis. Somit werden außerbetriebliche und periodenfremde Aufwendungen und Erträge, die oftmals mit starken zufälligen Elementen versehen sein können, außer Betracht gelassen.
Umsatzrentabilität (gemessen am Cash-Flow) = (Cash-Flow + Fremdkapitalzinsen) x 100 :
Gesamtumsatz
Die Umsatzrentabilität, gemessen am Cashflow, basiert auf den im laufenden Umsatzprozess selbst erwirtschafteten Mitteln, die für die Ertragsausschüttung, die Investitionsfinanzierung sowie die Tilgung der Schulden zur Verfügung stehen. Dieser Cashflow, dessen Berechnung in der Fachliteratur in zahlreichen Varianten dargestellt wird, setzt sich in einem einfachen Grundschema wie nebenstehend zusammen.
Jahresüberschuss
+ Abschreibungen auf das Anlagevermögen
- Zuschreibungen
+ Erhöhung der langfristigen Rückstellungen
- Verminderung der langfristigen Rückstellungen
= Cash-Flow
Der Cashflow drückt etwas über die finanzielle "Gesundheit" eines Unternehmens aus. Neben der Ertragskraft wird in dieser Kennzahl also auch der Finanzierungsspielraum der Unternehmung mit einbezogen.
Umschlagskennzahlen
Mit Hilfe der Umschlagskennzahlen kann die Wirtschaftlichkeit des Betriebes überprüft werden. Hierbei gilt, dass ein hoher Lagerumschlag zu einem geringeren Kapitaleinsatz führt, eine kürzere Lagerdauer senkt die Kosten.
Durchschnittsbestand = Anfangsbestand + Endbestand : 2
Lagerumschlagshäufigkeit = Materialeinsatz : durchschnittlicher Lagerbestand
Durchschnittliche Lagerdauer = 360 : Lagerumschlagshäufigkeit
Entsprechend können auch die Forderungen eines Unternehmens analysiert und bewertet werden. Je höher die Umsatzhäufigkeit ist, desto geringer ist die Kreditdauer und umso günstiger ist die eigene Liquidität. Dies führt wiederum zu geringeren Zinskosten.
Umsatzhäufigkeit = Umsatzerlöse : Forderungsbestand
Durchschnittliche Kreditdauer = 360 : Umschlagshäufigkeit der Forderungen
Bewertung der Bilanzanalyse
Die Bilanzanalyse ist ein wesentliches Element zur Bewertung der finanziellen Situation eines Unternehmens, da sie in konzentrierter Form Informationen und Vergleichsmöglichkeiten bietet. Dieses Mittel verlangt aber auch ein hohes Maß an Erfahrung und die Fähigkeit zum Erkennen von Zusammenhängen, da jeder Kennzahlenwert in seiner Aussagefähigkeit von vielen Faktoren abhängt. Entscheidend beeinträchtigt wird die Verwendbarkeit dieser Ergebnisse durch die Tatsache, dass jede Bilanzanalyse eine rückschauende Betrachtung ist und somit nur begrenzte Aussagen für die zukünftige Kreditabwicklung zulässt.
Hinzu kommt, dass es für einen Prüfer oftmals nicht genau zu erkennen ist, wie realistisch die Wertansätze in der Bilanz gewählt wurden. Besonders bei Handelsbilanzen ist der Spielraum der Unternehmen in dieser Hinsicht sehr groß. Deshalb sollte die Bilanzprüfung nach Möglichkeit anhand der aussagefähigen Steuerbilanz erfolgen, die möglichst vom Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer testiert sein sollte.
In Ergänzung zur Bilanzanalyse können zusätzliche Informationen über die Vermögens- und Liquiditätslage mit einbezogen werden. Eine Möglichkeit ist der Kreditstatus, der der Gegenüberstellung sämtlicher Positionen dient, die für die Bonität und die Liquidität der Unternehmung von Bedeutung sind.
Diese Sonderrechnung unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von der Bilanz.
- Es werden sämtliche Vermögenswerte erfasst, die für die Verbindlichkeiten der Unternehmung haften. Dazu gehören z.B. Konzessions- und Patentwerte, die nicht bilanziert werden, oder das private Vermögen eines persönlich haftenden Gesellschafters.
- Die Vermögenswerte werden mit ihrem tatsächlichen Veräußerungswert eingesetzt, so dass stille Reserven aufgedeckt werden.
- Vermögenswerte, die für andere Verbindlichkeiten haften oder die unter einem Eigentumsvorbehalt stehen, werden gesondert ausgewiesen.
- Der Baraufwand der Unternehmung wird für einen bestimmten Zeitraum hochgerechnet, so dass ersichtlich wird, in welcher Höhe die liquiden Mittel bereits durch feststehende Zahlungen für Löhne, Zinsen, Tilgungen oder Steuern belastet sind.
Der Kreditstatus erlaubt somit einen sehr genauen Einblick in die Liquiditäts- und Vermögenslage eines Kreditbewerbers. Problematisch bleibt jedoch die Bewertung der einzelnen Vermögenspositionen. Aus diesem Grunde wird diese Vergleichsrechnung meist durch einen Gutachter erstellt.