Medizinische Notwendigkeit
● Definition
Damit eine Behandlung als medizinisch notwendig gilt, müssen folgende 3 Voraussetzungen erfüllt sein:
- Es liegt tatsächlich eine Erkrankung vor.
- Es werden angemessene diagnostische Maßnahmen ergriffen, die objektiv zur Erkrankung
passen.
- Die Behandlung verspricht eine Heilung, Linderung oder zumindest das Verhindern einer
Verschlimmerung der Symptome.
Damit eine Behandlung als medizinisch notwendig gilt, muss es laut Bundesgerichtshof zum Zeitpunkt der Behandlung aufgrund objektiver medizinischer Befunde und Erkenntnisse vertretbar gewesen sein, sie als notwendig zu betrachten (IV ZR 163/09).
● Die medizinische Notwendigkeit entscheidet über die Kostenübernahme!
Das ist deshalb wichtig, weil Krankenversicherungen Kosten in der Regel nur bezahlen/erstatten, wenn die Behandlung Teil ihres Leistungskatalogs ist und als medizinisch notwendig erachtet wird.
Hierbei unterscheiden sich private Krankenversicherung (PKV) und gesetzliche Krankenversicherung (GKV) darin, dass in der privaten Krankenversicherung je nach Vertrag weitaus mehr Gesundheitsleistungen übernommen werden können als in der gesetzlichen Versicherung. In beiden Versicherungssystemen muss jedoch eine medizinische Notwendigkeit bestehen.
● Die medizinische Notwendigkeit in der PKV
- Ambulante Behandlung
Ein Patient folgte der Empfehlung seines Arztes, seinen Fersensporn mit einer Stoßwellentherapie zu behandeln. Seine Versicherung lehnte die Kostenübernahme mit der Begründung ab, dass zuvor noch nicht die herkömmlichen ärztlichen und physiotherapeutischen Therapien ausgeschöpft worden waren.
- Stationäre Behandlung
Die Erstattung stationärer Behandlungen kann verweigert werden, wenn die entsprechende Behandlung auch ambulant hätte erfolgen können. Das war z.B. bei einem Patienten der Fall, der einen Tag vor einer Operation stationär untergebracht war, um vorbereitende Maßnahmen vorzunehmen.
- Heilmittel
Auch bei der Übernahme von Heilmitteln kann es zum Streit kommen. So werden z.B. physio- und ergotherapeutische Maßnahmen oder z.B. manuelle Therapie nicht über lange Zeiträume übernommen, weil sie nicht als Dauertherapien gedacht sind. Sie müssen auch in Reaktion auf akute Beschwerden erfolgen.
- Hilfsmittel
Bei einem anderen Streit ging es darum, ob die Versicherung besonders hochwertige Hörgeräte (Hilfsmittel) mit Sonderfunktionen komplett erstatten muss, wenn günstigere Hörgeräte zur Verfügung standen. Hier musste der Versicherer nur den Preis günstigerer Geräte zahlen, welche die notwendigen medizinischen Anforderungen erfüllten. Da die anderen Geräte zusätzliche Funktionen hatten, die als nicht notwendig eingestuft wurden, lag hier eine Übermaßbehandlung vor.
- Beweislast
Prinzipiell liegt die Aufgabe, die medizinische Notwendigkeit einer Behandlung nachzuweisen, beim Versicherungsnehmer, der eine Leistung in Anspruch nimmt.
- Empfehlung des Arztes reicht nicht aus
Auch wenn z.B. der Hausarzt die Behandlung empfiehlt, können Versicherer im Einzelfall prüfen, ob sie tatsächlich medizinisch notwendig war. Wenn sie dabei zu einem anderen Schluss kommen als der Hausarzt, kann es durchaus sein, dass Patienten die Kosten doch selbst übernehmen müssen.
Tipp:
Falls die Kosten der geplanten Behandlung voraussichtlich 2.000 Euro überschreiten, können die Versicherungsnehmer bei ihrem PKV-Anbieter eine schriftliche Auskunft einfordern, ob dieser die Behandlung übernimmt. Auch bei geringeren Summen ist eine Nachfrage möglich und oft empfehlenswert.
● Die medizinische Notwendigkeit in der GKV
- Entscheidung durch einen Ausschuss
Die Entscheidung, welche Behandlungen medizinisch notwendig sind, erfolgt durch einen Bundesausschuss. Dieser besteht aus Vertretern von Ärzten, gesetzlichen Krankenkassen, Krankenhäusern und Patienten. Hier wird entschieden, welche Behandlungen zur
-- Prävention
-- Diagnostik
-- Behandlung
-- Rehabilitation
als notwendig eingestuft werden. Bei der Entscheidung, ob eine Behandlung als medizinisch notwendig und damit erstattbar eingestuft wird, fließt nicht nur der gegenwärtige Forschungsstand zu ihrer Effektivität ein. Auch Überlegungen dazu, ob Aufwand und Nutzen im Verhältnis zueinander stehen, spielen eine wichtige Rolle.
- Zahnersatz in der GKV
Ist Zahnersatz medizinisch notwendig, bezahlt die gesetzliche Krankenversicherung einen Festzuschuss, der sich am zahnärztlichen Befund und der üblichen Versorgung orientiert. Auch hier muss die Kostenübernahme vor der Behandlung geklärt werden. Falls die verbliebene Summe immer noch zu hoch für den Patienten ist, können Härtefallregeln greifen. In jedem Fall stehen Patienten ausführliche Informationen über die Kosten der Behandlung zu, bevor diese beginnt.
- Heilmittel und Hilfsmittel
Die GKV zahlt prinzipiell für viele notwendige Hilfsmittel (z.B. Hörhilfen, Prothesen oder Inhalationsgeräte). Allerdings müssen diese vor dem Kauf zunächst genehmigt werden. Zudem sind häufig Zuzahlungen des Patienten erforderlich. Bei Heilmitteln wie z.B. verschiedenen Therapien kommt es darauf an, ob sie als verordnungsfähig eingestuft wurden.
- Wahltarife
Ein Großteil der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherungen ist durch Gesetze geregelt. Darüber hinaus können GKV-Anbieter aber auch erweiterte Leistungen anbieten. Gesetzlich Versicherte können außerdem Wahltarife abschließen, die ihnen zusätzliche Leistungen sichern.
- Grauzonen
Bei einigen Leistungen ist es strittig, ob die gesetzliche Krankenversicherung sie übernehmen sollte, weil ihre Notwendigkeit oder ihre Erfolgsaussichten infrage stehen– hier gibt es Unterschiede zwischen den einzelnen Anbietern. Das sind z.B.
-- einige alternative Heilmethoden, z.B. Akupunktur
-- alternative Heilmethoden für Schwerkrankte
-- professionelle Zahnreinigung als Präventionsmaßnahme
Leistungen der privaten Krankenversicherung, z.B. im Bereich der Zahnbehandlungen oder der Gesundheitsversorgung im Ausland, lassen sich durch private Krankenzusatzversicherungen ergänzen, wenn Bedarf dafür besteht.