Normenhierarchie im Arbeitsrecht
Das Arbeitsrecht basiert nicht auf einem einheitlichen Arbeitsgesetz. Vielmehr wurden im Laufe der Zeit viele arbeitsrechtliche Vorschriften in eigene Gesetze gefasst. Zudem ist im Arbeitsrecht eine Vielzahl von Rechtsgrundlagen anzuwenden. Diese Rechtsgrundlagen stehen in einer hierarchischen Ordnung. Es gibt also stärkere Rechtssätze, die Vorrang vor den schwächeren Rechtssätzen haben. Meist werden die schwächeren Rechtssätze die stärkeren jedoch detaillierter beschreiben und konkretisieren.
● Ebene 1: Das Grundgesetz und europarechtliche Vorschriften
Die stärksten Normen des Arbeitsrechtes also die Spitze der Normenpyramide sind im Grundgesetz und in den Europarechtlichen Vorschriften verankert. Diese Vorschriften sind als gleichrangig zu behandeln.
Das Grundgesetz ist jedoch grundsätzlich dem Öffentlichen Recht zuzuordnen. Das bedeutet, dass die Normen - insbesondere die Grundrechte nur zwischen Staat und Bürger Anwendung finden, während sich das Arbeitsrecht stets im Bereich des Privatrechtes abspielt. (Anders ist es bei Beamten, diese stehen in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis und haben keine Arbeitsverträge)
Die Rechtsprechung hat dennoch entschieden, dass die Grundrechte auch auf das Arbeitsverhältnis wirken können.
Als wichtige Grundrechte, die auch im Arbeitsrecht Anwendung finden, sind hier zu nennen:
- die Berufsfreiheit aus Art. 12 GG - dieses Recht verbietet dem Staat in bestimmter Weise
Einfluss auf die Entscheidung für einen Beruf (z.B. Abschaffung einer bestimmten
Ausbildungsrichtung), auf die Erlernung eines Berufes (z.B. Festlegung unnötiger
persönlicher Voraussetzungen wie Abitur für Einzelhandelskaufleute) und auf die
Berufsausübung (z.B. Stellung überhöhter Ansprüche an die Ausübung eines Berufes)
zu nehmen.
- die Koalitionsfreiheit aus Art 9 GG - dieses Recht verbietet dem Staat die Gründung und
Betätigung von Gewerkschaften zu verhindern. Abgeleitet wird hieraus auch das Recht auf
Tariffreiheit (Abschluss der Tarifverträge liegt allein im Verantwortungsbereich von
Arbeitgeberverband und Gewerkschaften) und damit auch das Streikrecht.
- der Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 GG - dieser Grundsatz gilt zwar eigentlich nur
für die Gleichbehandlung der Bürger durch staatliche Organe, jedoch wurde die Idee der
Gleichbehandlung auch auf die Arbeitsverhältnisse übertragen, so dass auch der Arbeitgeber
die Pflicht hat, die Arbeitnehmer bei gleichen Voraussetzungen auch gleich zu behandeln.
- Dieser Grundsatz ist durch die Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes
AGG bekräftigt worden, der Arbeitnehmern, die wegen ihres Geschlechtes, Ihres Alters,
ihrer ethnischen Herkunft, Ihrer Religion oder ihrer sexuellen Identität benachteiligt werden,
umfangreiche Rechte einräumt.
Weiterhin wurden durch die Europäische Union diverse Rechtsgrundlagen geschaffen, die sofern sie direkt im EU-Vertrag oder EG-Vertrag geregelt sind, direkt auf das Arbeitsverhältnis wirken.
Hierzu gehört vor allem das Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der EU-Staaten aus Art. 39 EGV, das heißt, dass Recht jedes EU-Bürgers, sich innerhalb der EU seinen Arbeitsplatz frei zu wählen.
Weitere durch die EU geschaffene Rechtsgrundlagen entfalten ihre Wirkung auf das Arbeitsverhältnis nur bedingt. So sind zum Beispiel Verordnungen der EU stets auch für die Privatperson bindend. Richtlinien nur dann, wenn Sie nicht rechtzeitig von dem jeweiligen Staat umgesetzt worden sind und inhaltlich ausführbar sind. Hingegen sind Empfehlungen und Stellungnahmen unverbindlich.
● Ebene 2: Gesetzesrecht
In der zweiten Ebene der Normenhierarchie ist das Gesetzesrecht anzusiedeln. Es umfasst sämtliche Gesetze des Bundes und der Länder, sowie vorkonstitutionelle Gesetze (Gesetze, die bereits vor dem Grundgesetz existierten - BGB, HGB, ZPO). Zu den Gesetzen im Arbeitsrecht gehören vor allem das Kündigungsschutzgesetz (KSchG), das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) und viele mehr. Gesetzesvorschriften, die gegen das Grundgesetz oder EU-Recht verstoßen können vor dem Bundesverfassungsgericht/EuGH als unzulässig verworfen werden.
● Ebene 3: Das Tarifrecht
Eine weitere Ebene der Normenhierarchie bildet das Tarifrecht. Es umfasst alle Rechtsnormen, die von den Tarifvertragsparteien (Gewerkschaften und Arbeitgeberverband im Rahmen eines Tarifvertrages vereinbart wurde). Verstößt ein Tarifvertrag gegen bindendes Gesetzesrecht oder dem übergeordnetes Recht, so ist die Klausel unwirksam. Diese Feststellung kann auch das Arbeitsgericht treffen.
● Ebene 4: Das Vertragsrecht/ Die Betriebsvereinbarungen/ Die Gesamtzusagen
Auf unterster Ebene der Normenhierarchie stehen die vertraglich vereinbarten Normen, welche durch bestehende Betriebsvereinbarungen (Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat) sowie die Gesamtzusagen (bindende Zusagen des Arbeitgebers) ergänzt werden. Ein Verstoß dieser Normen gegen höherrangiges Recht hat unmittelbar deren Nichtigkeit zur Folge. Diese beiden Rechtsquellen ergänzen einander, da eine Betriebsvereinbarung durchaus den Arbeitsvertrag vorteilig abändern kann, der Arbeitsvertrag eine Betriebsvereinbarung i. d. R. aber auch nur begünstigend abändert.
● Ebene 5: Die Weisungen und Anordnungen
Keine Rechtsquellen im eigentlichen Sinn, aber Anhaltspunkte für die Pflichten im Arbeitsverhältnis stellen die Weisungen und Arbeitsanleitungen des Arbeitgebers bzw. des Vorgesetzten dar. Diese konkretisieren die Pflichten aus dem Arbeitsvertrag.