● Prokura (§§ 48 ff HGB)
a) Begriff: Prokura
Bei Prokura und Handlungsvollmacht handelt es sich um handelsrechtliche Vollmachten mit gesetzlichen festgelegtem Umfang der Vertretungsmacht.
Prokura | ||
Einzelprokura Rechtsgeschäfte können vom Prokuristen allein abgeschlossen werden. | Gesamtprokura Rechtsgeschäfte können nur gemeinsam abgeschlossen werden. (Zwei Prokuristen oder ein Prokurist mit einem Gesamtbevollmächtigten)l | Filialprokura Die Prokura erstreckt sich nur auf den Bereich der Filiale. |
b) Erteilung der Prokura
Die Erteilung der Prokura stellt eine empfangsbedürftige, ausdrückliche Willenserklärung dar, § 48 I HGB.
- Erklärender
Erklärender kann nur der Inhaber selbst oder der gesetzliche Vertreter sein, § 48 I HGB. Ein Prokurist kann mithin keine Prokura erteilen. Eine Prokuraerteilung durch konkludente (= schlüssige) Erklärung scheidet aus.
- Empfänger
Empfänger der Erklärung können der Prokurist selbst oder auch ein Dritter sein, §§ 164 I, 171 I BGB.
c) Eintragung in Handelsregister
Der Eintragung in das Handelsregister kommt lediglich deklaratorische
Bedeutung zu, vgl. § 53 I HGB („Die Erteilung _____ ist anzumelden“).
Im Falle einer nicht in das HR eingetragenen Prokura bedarf es beim Widerruf der Prokura nach herrschender Meinung wegen § 15 I HGB gleichwohl der Eintragung und gleichzeitigen Löschung. Eine Voreintragung ist für § 15 I HGB entbehrlich!
d) Umfang der Prokura
(1) Vertretungsmacht
Grundsätzlich ist die Vertretungsmacht des Prokuristen unbeschränkt, § 49 I HGB. Als bedeutsame Ausnahmen sind allerdings zu berücksichtigen:
- § 49 II HGB (Erwerb von Grundstücken, auch von belasteten, möglich!)
- Sog. Prinzipalgeschäfte (z. B. §§ 31, 48 I HGB)
- Sog. Grundlagengeschäfte (z. B. Geschäftsaufgabe, Antrag auf Insolvenzeröffnung)
(2) Unbeschränkbarkeit der Prokura
Umgang der Prokura ergibt sich zwingend aus § 49 I HGB. Beschränkungen sind Dritten gegenüber unwirksam, § 50 I HGB. Anders ist dies nur im Innenverhältnis zwischen dem Kaufmann und dem Prokuristen (vgl. auch § 126 II, 151 HGB; § 82 AktG; § 37 GmbHG; § 27 GenG).
Dies gilt grundsätzlich ohne Rücksicht darauf, ob der Geschäftsgegner die Beschränkung kennt oder kennen muss (außer in den Fällen des Missbrauchs der Prokura).
(3) Weitere Beschränkungen der Vertretungsmacht?
Weitere Beschränkungen der Vertretungsmacht sind in den Fällen der Kollusion (§ 138 BGB) sowie in sonstigen Fällen des Missbrauchs der Prokura denkbar.
e) Wirkung der Prokura
Wirkung der Prokura | |
Innenverhältnis - Vertragliche Einschränkungen sind möglich | Außenverhältnis - Vertragliche Einschränkungen haben keine Gültigkeit |
f) Erlöschung der Prokura
(1) Der Widerruf
Nach § 52 I HGB ist die Prokura ohne Rücksicht auf das ihrer Erteilung zugrundeliegende Rechtsverhältnis jederzeit widerruflich, unbeschadet des Anspruchs auf die vertragsmäßige Vergütung.
Der Widerruf ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber dem Prokuristen (§ 130 I BGB), der Öffentlichkeit (Eintragung in das Handelsregister und Bekanntmachung grundsätzlich ausreichend, vgl. § 15 II HGB) oder gegenüber einem Dritten.
Der Widerruf muss nicht zwingend durch denjenigen erfolgen, der die Prokura erteilt hat.
(2) Erlöschen des Grundverhältnisses
Das Erlöschen der Vollmacht richtet sich entgegen dem missverständlichen Wortlaut des § 168 BGB in erster Linie nach ihrem Inhalt. Das Grundverhältnis ist in der Regel ein Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB), es kann aber auch ein Kaufvertrag oder eine Schenkung sein.
(3) Tod des Prokuristen
Abweichend von §§ 168 1, 673 S. 1 erlischt die Prokura wegen der besonderen Vertrauensstellung des Prokuristen mit dessen Tod (die Prokura ist nicht vererblich).
Zu beachten ist, dass die Prokura nicht durch den Tod des Inhabers erlischt (§ 52 III HGB).
g) Zeichnung des Prokuristen
Nach § 51 HGB hat der Prokurist in der Weise zu zeichnen, dass er der Firma seinen Namen mit einem die Prokura andeutenden Zusatz beifügt (v. a. „pp“ oder „ppa“).
Bei der Vorschrift des § 51 HGB handelt es sich lediglich um eine sog. Ordnungsvorschrift, d.h. die nicht ordnungsgemäße Zeichnung lässt die Wirksamkeit der Stellvertretung im Übrigen unberührt, maßgeblich ist allein § 164 BGB.
● Handlungsvollmacht
a) Erteilung
Erteilende einer Handlungsvollmacht können sein:
- Kaufmann
- Prokurist
- Handlungsbevollmächtigter
Die Erteilung ist eine einseitige, empfangsbedürftige, formfreie Willenserklärung.
Die Eintragung der Handlungsvollmacht im Handelsregister ist nicht möglich.
b) Umfang der Handlungsvollmacht
Der Umfang der Vertretungsmacht bei der Handlungsvollmacht orientiert sich an § 54 I HGB. Beschränkungen sind nach § 54 II, III HGB möglich sowie in den Fällen der Prinzipal- und Grundlagengeschäfte anzunehmen.
c) Erlöschen der Handlungsvollmacht
Die Handlungsvollmacht erlischt durch Widerruf und durch Ende des Grundverhältnisses (§ 168 BGB).
d) Handlungsvollmacht der Ladenangestellten
Wer in einem Landen oder in einem offenen Warenlager angestellt ist, gilt nach § 56 HGB als ermächtigt zu Verkäufen und Empfangnahmen, die in einem derartigen Laden oder Warenlager gewöhnlichgeschehen.
Im Zusammenhang mit den §§ 54 ff. HGB lässt sich § 56 als widerlegliche Vermutung für die Einräumung und den Umfang einer Vollmacht deuten. Im Übrigen ist § 56 (i.V.m. § 54 III HGB) ein Fall der Rechtsscheinhaftung, wenn die Vermutung widerlegt wird.
Prüfungsschema
Prüfungsschema: Voraussetzungen § 56 HGB
1. Vertretener: Muss Kaufmann sein (analoge Anwendung auf Kleingewerbetreibende ist geboten)
2. Laden/offenes Warenlager
3. Vertreter: Angestellt (mit Wissen und Wollen des Ladeninhabers)
4. Gewöhnliche (= branchenübliche) Verkäufe / Empfangnahmen von Sachen oder Willenserklärungen
5. Dritter gutgläubig (Fahrlässigkeit schadet)
Zu berücksichtigen ist, dass § 56 HGB nur den Verkauf, nicht aber den Kauf betrifft.
● Handlungsgehilfe
Die Vorschriften über den Handlungsgehilfen (§§ 59 ff. HGB) beschreiben das Dienstverhältnis der kaufmännischen Angestellten und sind mithin arbeitsrechtlicher Natur.
Besondere Bedeutung besitzen die Bestimmungen der §§ 74 ff. HGB über das sog. nachvertragliche Wettbewerbsverbot. Die §§ 74 ff. HGB gelten für alle sonstigen Arbeitnehmer, auch wenn sie nicht Handlungsgehilfen sind (§§ 110, 6 GewO).
Achten Sie v. a. auf folgende gesetzliche Bestimmungen:
- § 74 HGB
- § 74a HGB
- § 74c HGB
- § 75a HGB
● Handelsvertreter
Nach § 84 I 1 HGB ist Handelsvertreter, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen.
Der Begriff des Gewerbes ist i.S.v. § 1 I HGB zu verstehen. Demgemäß ist der Handelsvertreter Kaufmann, sofern die Voraussetzungen von § 1 II 2 HGB (Handelsgewerbe) vorliegen oder er nach § 2 HGB in das Handelsregister eingetragen ist (sog. Kleingewerbe-treibender oder auch Kannkaufmann).
Allerdings finden die Vorschriften der §§ 85 ff. HGB auch dann Anwendung, wenn ein Eintrag ins Handelsregister nicht erfolgt ist bzw. die Voraussetzungen von § 1 II HGB nicht vorliegen (§ 84 IV HGB). Dies beruht darauf, dass die §§ 85 ff. HGB weitestgehend durch die Schutzbedürftigkeit des Handelsvertreters geprägt sind. Eine solche Schutzbedürftigkeit besteht in besonderem Maße bei Unternehmern, die nicht über eine Kaufmannseigenschaft verfügen.
- Einzelfragen des Handelsvertreterrechts
(1) Selbständigkeit
Die Selbständigkeit, die den Handelsvertreter kennzeichnet, ist in § 84 I 2 HGB gesetzlich definiert.
§ 84 I 2 HGB hat über das Recht des Handelsvertreters hinaus große Bedeutung bei der Frage nach dem arbeitsrechtlichen Status eines Beschäftigten. Die Selbständigkeit ist nämlich wichtiges Kriterium bei der Abgrenzung des freien Mitarbeiters/Dienstnehmers von dem abhängig beschäftigten und weisungsgebundenen Arbeitnehmer.
(2) Handeln „für einen anderen Unternehmer“
Der Handelsvertreter handelt nicht im eigenen Namen. Der Handelsvertreter ist damit abzugrenzen gegenüber dem
- Kommissionär nach §§ 383 ff. HGB (handelt in eigenem Namen und auf fremde Rechnung)
- Vertragshändler (lediglich Einbindung in Verkaufsorganisation)
- Franchisenehmer (handelt im eigenen Namen und auf eigene Rechnung)
(3) Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters
Das Entgelt des Handelsvertreters besteht in erster Linie in dem Anspruch auf Provision nach § 87 HGB. Der Provisionsanspruch stellt das Entgelt dar, das der Handelsvertreter für seine nach § 86 HGB geschuldete Leistung erhält und bildet damit die Gegenleistung des Unternehmers.
Nach § 89b I HGB kann der Handelsvertreter von dem Unternehmer nach Beendigung des Vertragsverhältnisses einen angemessenen Ausgleich verlangen, wenn und soweit
(1.) der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handels-
vertreter geworben hat, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche
Vorteile hat und
(2.) die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der
dem Handelsvertreter aus Geschäften mit diesen Kunden entgehenden Provisionen, der
Billigkeit entspricht.
§ 89b I HGB stellt in seinem Kern eine Vergütung für Leistungen des Handelsvertreters dar, die durch die Provision noch nicht voll abgegolten sind.