● Begriff: Handelsgeschäft
Der Begriff „Handelsgeschäft“ ist in § 343 I HGB legal definiert. Danach sind Handelsgeschäfte alle Geschäfte eines Kaufmanns, die zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehören. Die von einem Kaufmanne vorgenommenen Rechtsgeschäfte gelten im Zweifel als zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehörig, § 344 I HGB.
Man unterscheidet einseitige und beidseitige Handelsgeschäfte. Entscheidende Frage ist insoweit, ob die Voraussetzungen für die Einordnung einer Rechtshandlung als Handelsgeschäft nur bei einem oder bei beiden Vertragspartnern vorliegen (s. beispielsweise §§ 347 I, 352 I 1 HGB).
● Abschluss von Handelsgeschäften (Besonderheiten gegenüber dem BGB)
- §§ 348-350 HGB
§§ 348–350 HGB enthalten bedeutsame Verschärfungen gegenüber dem BGB. Von besonderer Bedeutung ist § 350 HGB, wonach u.a. ein mündliches Bürgschaftsversprechen dann wirksam ist, wenn es auf Seiten des Bürgen ein Handelsgeschäft ist; § 766 S. 1 und 2 BGB finden keine Anwendung.
- Schweigen des Kaufmanns auf Anträge (§ 362 HGB)
Geht einem Kaufmanne, dessen Gewerbetrieb die Besorgung von Geschäften für andere mit sich bringt, ein Antrag über die Besorgung solcher Geschäfte von jemand zu, mit dem er in Geschäftsverbindung steht, so ist er verpflichtet, zu antworten; sein Schweigen gilt als Annahme des Antrags (§ 362 I 1 HGB). Das gleiche gilt, wenn einem Kaufmann ein Antrag über die Besorgung von Geschäften von jemand zugeht, dem gegenüber er sich zur Besorgung solcher Geschäfte erboten hat, § 362 I 2 HGB.
Geschäftsbesorgungen sind alle selbständigen Tätigkeiten wirtschaftlicher Art für einen anderen und in dessen Interesse.
Beispiele:
Kommissionär, Spediteur, Lagerhalter, Frachtführer, Treuhänder sowie allgemein Bankgeschäfte.
- Kaufmännisches Bestätigungsschreiben (KBS)
Im Handelsverkehr ist es üblich, dass ein Vertragspartner dem anderen mündlich (telefonisch) getroffene Vereinbarungen schriftlich bestätigt, um auf diese Weise beweisrechtliche Vorteile zu erlangen. Weicht der Inhalt eines solchen kaufmännischen Bestätigungsschreibens von den vorherigen mündlichen Vereinbarungen ab, so muss der Empfänger unverzüglich widersprechen. Unterlässt er dies, gilt der (abweichende) Inhalt des kaufmännischen Bestätigungsschreibens als vereinbart, wenn nicht der Absender arglistig gehandelt hat.
-- Prüfungsschema
Prüfungsschema: Voraussetzungen KBS
1. Die Beteiligten müssen nicht Kaufleute i. S. der §§ 1 bis 6 HGB sein!
a) Persönliche Voraussetzungen
aa) Für den Empfänger stellt die Rechtsprechung auf kaufmannsähnliche Teilnahme am Geschäftsverkehr ab, was v. a. auf Kleingewerbetreibende, Landwirte und Freiberufler zutrifft (Teilnahme am Geschäftsleben in größerem Umfange)
bb) Auf Seiten des Absenders ist letztlich maßgeblich, ob er erwarten kann, dass ihm gegenüber nach kaufmännischer Sitte verfahren wird
b) Sachliche Voraussetzungen
In sachlicher Hinsicht muss es sich um ein Handelsgeschäft i. S. der §§ 343, 344 HGB handeln bzw. muss ein in die berufliche oder gewerbliche Sphäre fallendes Geschäft vorliegen
2. Dem Bestätigungsschreiben müssen Vertragsverhandlungen vorausgegangen sein; die Rechtsprechung verlangt mündliche, fernmündliche oder telegrafische Kommunikation. Dem ist Kommunikation per E-Mail oder Fax gleichzustellen. Bei rein schriftlichen Verhandlungen ist kein Platz für ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben.
3. Das kaufmännische Bestätigungsschreiben muss entweder
a) seinem Inhalt nach einen vorangegangen Vertragsschluss bestätigen wollen (sog. „deklaratorisches“ KBS) oder
b) zumindest einen nach Einschätzung des Absenders geschlossenen Vertrag (sog. „konstitutives“ KBS)
4. Das Schreiben muss unmittelbar nach den Vertragsverhandlungen abgeschickt werden und dem Empfänger alsbald (maximal 14 Tage) zugegangen sein, § 130 BGB
5. Redlichkeit des Absenders: Der Absender muss der Meinung sein, dass das Schreiben den vorherigen Vertragsschluss lediglich schriftlich fixiert; das Schreiben darf nur solche bewussten Abweichungen enthalten, bei denen der Absender noch mit der Zustimmung des Empfängers rechnen darf.
6. Kein unverzüglicher Widerspruch – sollen die Wirkungen der Einverständnisfiktion verhindert werden, muss der Empfänger unverzüglich (§ 121 I BGB) widersprechen; im Handelsverkehr ist schnell zu entscheiden (eine Woche in der Regel zu spät, grundsätzlich maximal drei Tage, so jedenfalls bei einfachem Abschluss im Warengroßhandel)
-- Abgrenzung zur Auftragsbestätigung
Das kaufmännische Bestätigungsschreiben ist zu unterscheiden von der
Auftragsbestätigung, die von ihrem Inhalt her die Annahme eines Angebots darstellt. Weicht eine Auftragsbestätigung von der vorangegangenen Offerte ab, so gilt § 150 II BGB; die Grundsätze über das kaufmännische Bestätigungsschreiben finden keine Anwendung.
-- Sich kreuzende Bestätigungsschreiben
Bei sich kreuzenden, inhaltlich verschiedenen Bestätigungsschreiben, ist ein Widerspruch nicht erforderlich, da die Parteien durch das Bestätigungsschreiben des jeweiligen Gegenübers wissen, dass eine Einigung nicht gegeben ist. Für sich kreuzende Bestätigungsschreiben mit Bezugnahme auf unterschiedliche AGB gelten die allgemeinen Regeln für sich widersprechende AGB.
Anfechtung des Widerspruchs
Der Widerspruch des Empfängers ist eine Willenserklärung und damit nach den Bestimmungen der §§ 119 ff. BGB anfechtbar. Keine Anfechtungsmöglichkeit besteht aber allein wegen Irrtums über die Bedeutung des Schweigens (unbeachtlicher Rechtsfolgenirrtum).
● Auslegungsgrundsätze und Verschuldungsmaßstab bei Handelsgeschäften
Insoweit sind zum einen die Handelsbräuche nach § 346 HGB zu beachten. Der Handelsbrauch als Verkehrssitte des Handels ist für die Auslegung von Willenserklärungen wie auch für die Rechtsfolgen von Handlungen und Unterlassungen von Bedeutung. Die Grundsätze über das kaufmännische Bestätigungsschreiben entwickelten sich aus Handelsbrauch, haben sich aber seit langem zu Gewohnheitsrecht verdichtet.
Zu berücksichtigen ist, dass im Bereich der Handelsgeschäfte der Verschuldensmaßstab des § 347 HGB gilt (vgl. § 276 BGB).
● Das Kontokorrent (§ 355 HGB)
- Voraussetzungen des Kontokorrents
Das Kontokorrent beruht auf drei Verträgen:
-- Der verpflichtenden Abrede, die beiderseitigen Ansprüche sowie Leistungen in Rechnung zu stellen, nicht darüber zu verfügen, sondern sie zu verrechnen sowie unter Umständen im Laufe der Rechnungsperiode ein Debet abzudecken,
-- der verfügenden Abrede der Verrechnung und „Lähmung“ der Einzelforderungen,
-- der verfügenden Abrede der Anerkennung des Verrechnungssaldos.
- Rechtsfolgen des Kontokorrents
a) Wirkung der Einstellung in das Kontokorrent
aa) Keine Geltendmachung einer einzelnen Forderung möglich
bb) Keine Verfügungsbefugnis des Gläubigers über die Forderung
cc) Kein Verzug möglich
dd) Keine Aufrechnung möglich
ee) Verjährung nach §§ 195, 199 I, IV BGB (nach a.A. §§ 203, 205 BGB analog, strittig)
ff) Tilgung der Forderung ausgeschlossen
b) Wirkung der Verrechnung und Feststellung
aa) Tilgung (§ 362 BGB)
bb) Anspruch des Gegenübers auf Saldo
● Gutgläubiger Eigentumserwerb (§ 366 I, 1. Alt. HGB)
Prüfungsschema: Voraussetzungen § 366 I, 1. Alt. HGB
1. Kaufmannseigenschaft des Veräußerers
2. Veräußerung einer beweglichen Sache durch Einigung und Übergabe
3. Handelsgewerbe (§§ 343, 344 HGB)
4. Gutgläubigkeit des Erwerbers
5. Kein Abhandenkommen, § 935 BGB
Hinsichtlich des guten Glaubens reicht selbstverständlich schon jener an das Eigentum (s. bereits § 932 BGB). Im Übrigen erfasst § 366 HGB den guten Glauben an die Verfügungsbefugnis, womit auf Seiten des Verfügenden ein Handeln im eigenen Namen einhergehen muss. Ob auch der gute Glaube an die Vertretungsmacht erfasst ist, ist umstritten. Dafür spricht eine Interessenparallelität, dagegen der Wortlaut der Norm.
Keinesfalls ist der gute Glaube an die Geschäftsfähigkeit geschützt; auch
nicht der gute Glaube an die Kaufmannseigenschaft.
Hinsichtlich der Gutgläubigkeit gilt im Übrigen § 932 II BGB.
● Weitere Besonderheiten bei Handelsgeschäften
1. Kaufmännisches Zurückbehaltungsrecht nach §§ 369 ff. HGB
2. Erfüllung von Handelsgeschäften
a) Richtige Leistung: Statt § 243 I BGB gilt § 360 HGB (beachte auch § 361 HGB)
b) Richtiger Leistungsort: § 269 BGB
c) Richtige Leistungszeit: § 271 BGB ergänzt durch §§ 358, 359 HGB
3. Entgeltlichkeit: §§ 352, 353, 354 HGB